Die 1200-Jahrfeier von Niederbrechen

1. Vorgeschichte: Irrungen und Wirrungen bis zur endgültigen Beschlussfassung


Bereits in der am 01.10.1970 stattfindenden Gemeindevertretersitzung von Niederbrechen beschäftigten man sich mit der Durchführung des anstehenden Jubiläum 1200 Jahre Ersterwähnung von Brachina. Festgehalten wurde, dass im gleichen Jahr die Freiwillige Feuerwehr ihr 75-jähriges Jubiläum und der MGV Frohsinn Niederbrechen sein 60-jähriges Jubiläum feiern würde und es stellte sich die Frage, ob es sinnvoll sei „eine 1.200 Jahr Feier in Verbindung mit anderen Jubiläen von Ortsvereinen durchzuführen.“ [Protokoll der Dringlichkeitssitzung der Gemeindevertretung Niederbrechen vom 01.10.1970, TOP 7]

In der Sitzung der Gemeindevertretung Niederbrechen vom 07.09.1971 beschäftigte man sich ausgiebig mit der Gestaltung einer 1200-Jahrfeier im Jahre 1972 – Bürgermeister Runte gab seine detaillierten Gedankengänge einer Ausgestaltung bekannt, ebenso die SPD-Fraktion. Da keine Einigung erzielt werden konnte, wurde einstimmig eine Kommission für die Gestaltung der Feier gebildet, der angehörten: Bürgermeister Runte, der Vorsitzende der Gemeindevertretung R. Willems sowie die Gemeindevertreter Bernhard Eisenbach, Josef Königstein und Josef Wünschmann. Als Termin für die Festtage wurden der 11., 12., 13. und 14. August 1972 festgelegt. [Protokoll der Dringlichkeitssitzung der Gemeindevertretung Niederbrechen vom 07.09.1971, TOP 10]

In einer weiteren Sitzung vom 14.01.1972 beschließen die Gemeindevertreter (genauer: die Staatsbeauftragten für die Gemeindevertretung), „die 1200-Jahrfeier erst im Jahre 1973 durchzuführen“, ohne dass hier nähere Gründe aufgeführt werden. [Protokoll der Dringlichkeitssitzung der Gemeindevertretung Niederbrechen vom 14.01.1972, TOP 7]. Im Mitteilungsblatt der Gemeinde Brechen Nr. 3/1972 vom 25.01.1972 ist zur Verschiebung folgende Begründung zu lesen:
„im Mai 1972 - 60-jähriges Bestehen des MGV-Frohsinn
im Juni 1972 - 1200-Jahr-Feier in Lindenholzhausen
im Juli 1972 - 75-Jahr-Feier Freiwillige Feuerwehr Ortsteil Niederbrechen anschließend Sommerferien
ab 22. August 1972 Olympische Spiele
Oktober 1972 - Kirmes Ortsteil Niederbrechen
Für die Verschiebung waren nicht nur die erkennbaren Terminschwierigkeiten ausschlaggebend, sondern durch den gemeindlichen Zusammenschluß soll in der ganzen Gemeinde ein derartiges Jubiläum begangen werden.
Ich bitte alle Vereine, Schulen usw., die sich an der 1200-Jahr-Feier beteiligten wollten, dieses offiziell zur Kenntnis zu nehmen.“


Nach einer „sehr lebhaften Diskussion“ in der Gemeindevertretungssitzung am 12.06.1972 gab Bürgermeister Runte in der Gemeindevertretungssitzung vom 17.08.1972 als Durchführungstermin für die 1200-Jahrfeier den 29.06. bis 02.07. 1973 bekannt, weitere Details sind vom zuständigen Vorbereitungsausschuss zu klären [Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 12.06.1972, TOP 17, und vom 17.08.1972, TOP 11]

In der Gemeindevertretersitzung vom 30.01.1973 informierte Bürgermeister Runte ausführlich über den aktuellen Stand der Vorbereitungen zur geplanten 1200-Jahrfeier und erklärte, „dass mit einem finanziellen Gewinn für die Gemeinde nicht zu rechnen sei, sondern eventuell mit einem Defizit abgeschlossen wird.“ Der Haupt- und Finanzausschuss hatte sich mit dem Thema befasst und sei zu dem Entschluss gekommen, „der Gemeindevertretung vorzuschlagen, das Fest ausfallen zu lassen.“
In der sich anschließenden Diskussion plädierten die Befürworter einer Feier mit einer Durchführung, „wenn auch nicht in dem großen Rahmen mit Feuerwerk und entsprechendem Programm. Man dürfte den Tag nicht so sang- und klanglos verstreichen lassen. Das hohe Defizit brauchte bei etwas einfacherer Durchführung nicht zu entstehen. Vor einigen Jahren hätte man auf die Feier der 600-jährigen Wiederkehr der Verleihung der Stadtrechte verzichtet wegen der 1200-Jahr-Feier.“ Die Skeptiker einer Feier begründeten ihre ablehnende Haltung damit, „dass keine hohen Summen ausgegeben werden sollen für ein Fest, für das kein echtes Bedürfnis besteht. Die Ausgaben dafür sollen eingespart werden und für wichtigere Dinge, soziale Angelegenheiten, verwandt werden.“ In der nach einer Sitzungsunterbrechung stattfindenden Abstimmung sprachen sich – bei einer Enthaltung - 11 Gemeindevertreter gegen und 9 für die 1200-Jahrfeier aus. [Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 30.01.1973, TOP 3]

Da zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftige Verträge existierten, die zu Regressabschlüssen geführt hätten, kam es zu einer Neuorientierung. In einer gemeinsamen Erklärung von CDU, SPD und FBL ist im Mitteilungsblatt vom 20.02.1973 folgendes zu lesen:

Gemeinsame Erklärung der CDU, SPD und FBL zur 1200-Jahr-Feier
1971 hatte die Gemeindevertretung von Niederbrechen beschlossen, 1972 aus Anlaß der Schenkung des Frankenhofes Brachina durch die Edle Rachild an das Kloster Lorsch im Jahre 772 eine 1200-Jahr- Feier auszurichten.
Wegen den bereits geplanten Jubiläumsfesten der Freiwilligen Feuerwehr und des Männergesangvereins Frohsinn beschlossen die Staatsbeauftragten der neuen Gemeinde Brechen am 14.01.1972, die 1200-Jahr-Feier erst 1973 durchzuführen.

Am 23.01.1973 wurde im Haupt- und Finanzausschuß die Ausrichtung der 1200-Jahr-Feier beraten. Der Ausschuß war bei einer Gegenstimme der Auffassung, daß in anbetracht der angespannten Finanzlage der Gemeinde eine 1200-Jahr-Feier mit einem errechneten Defizitabschluß in Höhe von 15.000,00 bis 20.000,00 DM nicht vertretbar sei. Dieser Auffassung schloß sich auch die Mehrheit der Gemeindevertretung in ihrer Sitzung am 30.01.1973 an.
Nach der Sitzung wurde bekannt, daß aufgrund verschiedener Vertragsverhandlungen bereits mehrere rechtskräftige Verträge bestanden, aus denen Regreßansprüche gestellt wurden. Die neue Situation wurde in zwei internen Sitzungen der Gemeinde Vertretung beraten. Die Mehrheit der Gemeindevertretung ist aufgrund der neuen Sachlage der Auffassung, die 1200-Jahr-Feier durchzuführen.
Für die CDU gez. Schütz    Für die SPD gez. Eisenbach        Für die FBL gez. Roos


Werte Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Wie aus obiger Erklärung ersichtlich, wird die 1200-Jahr-Feier in der Zeit vom 29. Juni bis 2. Juli 1973 abgehalten. Auch das bisher ausgearbeitete Programm wurde in seinen wesentlichen Punkten gutgeheißen. Um nun die Vorbereitungen zu dieser Feier anlaufen zu lassen, lade ich die Mitglieder des Gemeindevorstandes, die Vorsitzenden aller Vereine beider Ortsteile zu einer Besprechung für Montag, den 26. Februar 1973, 20.00 Uhr, Gaststätte "Deutsches Haus", ein. An diesem Abend soll eine weitere Aussprache über das Programm erfolgen. Selbstverständlich sind auf diesem Wege auch die Vertreter der kirchlichen Vereine, der Schulen, der Jugend und besonders die Mitglieder der Vereine, die im letzten Jahr verantwortlich für die Ausrichtung der Feste zeichneten, herzlich eingeladen.   gez.: Runte

[Mitteilungsblatt der Gemeinde Brechen Nr. 05/1973 vom 20.02.1973]

Unter der Überschrift „Mit viel Musik und viel Gesang. Aber auch sonst wird allerhand los sein bei der geplanten 1200-Jahr-Feier“ berichtet die Nassauische Landeszeitung vom 03.03.1973 über die gemeinsame Besprechung des Gemeindevorstandes und den Vereinsvorständen am 26.02.1973. Im Wesentlichen blieb es bei dem geplanten Programmablauf der unter der Schirmherrschaft von Landrat Wolf stehenden 1200-Jahrfeier, die im Festzelt auf dem Niederbrechener Festplatz stattfinden sollte.

In der Gemeindevertretersitzung vom 22.03.1973 wurde der endgültige Beschluss gefasst: „Mit 12 – 8 – 0 Stimmen wurden beschlossen, die 1200-Jahr-Feier zu den bekannten Terminen durchzuführen. Der Gemeindevorstand wurde beauftragt, die Feier auszurichten.“ [Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 22.03.1973, TOP 21]. Unter der Überschrift „Bei acht Stimmenthaltungen. 1200-Jahr-Feier jetzt offiziell - Gemeindevorstand Ausrichter“ berichtet die Nassauische Landeszeitung vom 28.03.1973 u.a. „Während die CDU-Fraktion geschlossen (12 Stimmen) den Arm hob, enthielten sich 8 Vertreter der SPD und FWG ihrer Stimme. Der Gemeindevorstand hat die Federführung für Ausrichtung übernommen, die Bewirtschaftung für das Festzelt wird dieser Tage vergeben.“

2. Vorbereitungen: Viel Arbeit bis zur Durchführung des gemeinsamen Festes


Am Mittwoch, dem 13.06.1973 wurde das Festzelt unter Leitung von Feuerwehrkommandant Robert Willems das Festzelt von freiwilligen Helfern in Märzhausen abgeholt, das Zeltgerüst am Samstag, dem 16.06.1973 aufgebaut, die Zeltplane am Samstag, dem 23.06.1973 auf dem Zelt befestigt und das kleine Zelt am 26./27.06.1973 das kleine Zelt aufgeschlagen.

Die Fanfaren-Bläser des Spielmannszuges brachten am Samstag, dem 23.06.1973 um 20.00 Uhr von der Spitze des Gefangenenturms die Hymne „Die Berliner Festfanfare“ zu Gehör.

Rathaus und Gefangenenturm wurden abends angestrahlt.
[Mitteilungsblatt der Gemeinde Brechen Nr. 14/1973 vom 06.06.1973 und Nr. 16/1973 vom 20.06.1973]

Da der Altentag der Gemeinde mit dem am Montag stattfindenden Heimattag und Frühschoppen am Montag, dem 2. Juli verbunden wird, wurden für alle Mitbürger/innen ab 70 Jahre in der Zeit vom 12. bis 19. Juni 1973 Gutscheine im Wert von 7,00 DM im Rathaus und in Werschau ausgegeben. Ebenso wurden Programmheft und Eintrittskarten zu folgenden Preisen angeboten:

a) Dauerkarte im Vorverkauf6,00 DM
b) Dauerkarte Abendkasse7,00 DM
c) Einzelveranstaltung  3,00 DM
d) Beat-Party3,00 DM
e) Programmheft0,50 DM

                     
im Ortsteil Niederbrechen: Rathaus; Buchhandlung Stillger, Friedrichstraße; Fotohaus Ehrlich, Nikolausstraße und Getränkevertrieb Josef Ehrlich, Frankfurter Straße 95
im Ortsteil Werschau: Lebensmittelgeschäft Adalbert Beck und Lebensmittelgeschäft Albert Schmidt
Ein fahrplanmäßiger, kostenloser Pendlerverkehr zwischen Werschau und Niederbrechen wurde ebenfalls für die Festtage eingerichtet.
[Mitteilungsblatt der Gemeinde Brechen Nr. 14/1973 vom 06.06.1973 und Nr. 15/1973 vom 14.06.1973]

Kurz zu Beginn der Festtage schreibt Bürgermeister Heinrich Runte im Mitteilungsblatt der Gemeinde Nr. 17/1973 vom 26.06.1973:
Meine sehr verehrten Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Die Festtage stehen nun kurz vor ihrem Beginn. Wir wollen hoffen, daß der Wettergott uns günstig gesinnt ist. Aber nochmals komme ich mit einem letzten großen Anliegen.
An diesen Tagen kommen viele auswärtige Gäste in unsere Gemeinde. Diesen Gästen wollen und sollen wir auch rein äußerlich zeigen, daß Geburtstag gefeiert wird. Schmücken Sie deshalb die Straßen und Häuser mit Fahnen und Wimpeln, mit Grün und Blumen. Nehmen Sie bitte diese Arbeit auf sich, damit ein buntes fröhliches Bild unsere Straßen ziert.
Dabei muß beachtet werden, daß keine Girladen aus Verkehrssicherheitsgründen über die B 8 gespannt werden dürfen. Um so mehr sollten Wimpeln und Fahnen gerade die B 8 in ihrer ganzen Länge umsäumen.
Die Brückenstraße wird von Kaiserstraße bis Dauborner Straße für den Verkehr gesperrt. Parkmöglichkeiten ergeben sich in den Seitenstraßen, besonders - bei trockenem Wetter - auf dem Wiesengelände "In den Wallgärten".
Der Eintritt auf dem Festplatz ist frei. Dauereintrittskarten sind noch bis einschließlich Donnerstag, dem 28. Juni 1973, in den Vorverkaufsstellen zum Preise von 6,00 DM zu haben. Einzelveranstaltungen – 3,00 DM. Am Montag, dem 2. Juli 1973, zum Heimat- und Altentag, ist der Eintritt frei.
Die ausgegebenen Bons können nur an diesem Tage und nur im Festzeit verwandt werden; allerdings sind sie übertragbar.

Neben dem Schmücken der Häuser wird gebeten, auch die Straßen intensiv zu reinigen. Das gilt ganz besonders für Straßen an unbebauten Grundstücken und Betriebsgrundstücken.
Beachten Sie das Programm für die Festtage und besuchen Sie bitte auch die Veranstaltungen außerhalb des Festplatzes. Im Programm nicht abgedruckt:
Die Alte-Herren-Mannschaft des F.C.A. spielt aus Anlaß der 1200-Jahr-Feier am Donnerstag, den 28. Juni 1973, 19.30 Uhr gegen die ehemalige Regional-Mannschaft Alte Herren Rüsselsheim.
Ab sofort wird auch die Kirche angestrahlt.

In einer Vorankündigung zur 1200-Jahrfeier schreibt die Nassauische Landeszeitung vom 29.06.1973 unter der Überschrift „Es ist soweit: Brechen feiert! Heute abend beginnen die vier Festtage zum 1200jährigen Bestehen“ u.a.:
„Um diese Feier hat es in den vergangenen Monaten viel Tauziehen gegeben. Sie war wegen der Gemeindegebietsreform, in der die Nachbargemeinde Werschau mit Niederbrechen zur Einheitsgemeinde Brechen zusammengeschlossen wurde, verschoben worden und sollte vorübergehend ganz dem Rotstift zum Opfer fallen. Nun steht aber doch das Zelt, auf dem Festplatz, in dem heute mit einem Kommers die eigentlichen vier Festtage der 1200-Jahr-Feier beginnen. Von einem Fest-Fieber sind jedoch die Bürger der ehemaligen Stadt noch nicht befallen; ihr Oberhaupt und die Mandatsträger hatten in den letzten Tagen mit der Wassernot und der zum Fest anvisierten Fertigstellung des Hallenschwimmbades auch andere Sorgen. So ist zu wünschen, daß der „Appetit beim Essen kommt“.

Auf die Historie wird bei der 1200-Jahr-Feier weitgehend verzichtet. Sie dürfte im Rahmen des Festkommers nur kurz „angerissen“ werden; die Gemeinde stellt sich dar, wie sie eben heute ist, gibt vor allem einen Einblick in das Vereinsleben.“

3. Programm und Durchführung


Freitag, 29. Juni 1973
20:00 Uhr    Kommers im Festzelt mit Feuerwehrkapelle, MGV „Frohsinn“, Niederbrechen, Fanfarenklänge und Herolde, Grußwort des Bürgermeisters, MGV „Frohsinn“ Werschau, Mandolinenclub „Wanderlust“ und Kirchenchor „Cäcilia“; Ansprache des Schirmherrn Landrat Heinz Wolf; Kirchenchor „Cäcilia“; MGV „Concordia“ Niederbrechen; Gratulationen; Trachtengruppe D’Emsbachthaler, Vorführungen des Turnvereins Niederbrechen, Musikzug des Turnvereins (Reihenfolge der Auftritte). Anschließend wird zum Tanz aufgespielt.

Samstag, 30. Juni 1973
9:00 Uhr    auf dem Schulgelände: Turnvorführungen der Grundschule, Kürturnen der Schulmannschaften „Jugend trainiert für Olympia“, Handballspiel, Ausstellung durch das Rote Kreuz, Ausstellung der Feuerwehreinrichtungen beider Ortsteile, Auflassen von Brieftauben durch den Brieftaubenverein „Goldner Grund“ Niederbrechen
12:00 Uhr     Eintopfessen aus der Gulaschkanone des DRK
14:00 Uhr     Tischtennis-Turnier in der Schulturnhalle der Senioren-Mannschaften des TTC Werschau und Breithardt
20:00 Uhr     „Großer Bunter Abend“ mit Uschi und Bert Laubeck als Conferencier und Magic-Parodisten, den „Conbrios“ u.a. Künstlern aus dem Showgeschäft und dem Musikzug des TV-Niederbrechens; anschließend Tanz mit dem Hans-Steiner-Sextett.

Sonntag, 1. Juli 1973
7:00 Uhr     Musikalischer Weckruf in beiden Ortsteilen
9.30 Uhr     Festgottesdienst unter Mitwirkung der Kirchenchöre in beiden Ortsteilen
10:30-11:15Uhr Platzkonzert des TV-Musikzugs in Werschau und der Feuerwehrkapelle in Niederbrechen
13:00 Uhr     Feuerwehrübungen beider Feuerwehren auf dem Schulgelände
14:00 Uhr     Geschicklichkeitsturnier des Motorsport-Clubs auf dem Schulgelände
14:00-18 Uhr    Beat-Party im Festzelt mit den Pop-Gruppen „November“ und „Papa Zoot“
20:00 Uhr    Tanz mit dem „Hans-Steiner-Sextett.

Montag, 2. Juli 1973
Ab 10:00 Uhr    Heimattag und Frühschoppen im Festzelt: Wiederholung der Überreichung der Urkunde; Gesangseinlagen; Auftritt d’Emsbachthaler; Sportliche Einlagen; Volkstänze der Schülerinnen des 3. Schuljahres; „Tom Cat“ Tanzvorführung von Schülerinnen und Schülern der Hauptschule.

 

Die Ortsvereine von Niederbrechen und Werschau gestalteten das Programm des Festkommers am Freitagabend im vollbesetzten Festzelt in Niederbrechen, worüber der Schirmherr, Landrat Heinz Wolf, sowie der ebenfalls anwesende hessische Finanzminister Heribert Reitz lobende Worte fanden. Bürgermeister Heinrich Runte konnte neben diesen Ehrengästen auch den CDU-Bundestagsabgeordneten Benno Erhard und den CDU-Landtagsabgeordneten Wolfgang Ibel, die Nachbarkollegen Josef Kramm (Oberbrechen), Hubert Aumüller (Villmar) und Herbert Klos (Runkel) sowie den Pfarrer, die Schwestern, den Rektor und Lehrer willkommen heißen.

Fanfarenklänge kündigten Herolde an, die zusammen mit der edlen Rupertinerin Rachilde, die einst „Brachina" geschenkt hatte, ihrem Hofstaat und drei Mönchen die Bühne betraten. Die Schenkungsurkunde wurde verlesen und die Mönche dankten Rachilde für die Schenkung – soweit der Ausflug in die Historie.
Der hessische Finanzminister Heribert Reitz stellte in seiner Ansprache fest: „Es ist richtig, dass eine Gemeinde ihr 1200jähriges Bestehen in einem würdigen Rahmen feiert. Schon aus der Verpflichtung heraus, dass man die Geschichte nicht zu den Akten legen kann." Ihm imponierte, dass die Gemeinde ein so vielfältiges und blühendes Vereinsleben aufweisen kann und lobte, dass sich noch ein so intensiver musischer Bereich erhalten habe. „Wir sollten uns nicht schämen, dass noch Gefühle da sind, und hoffen, dass der musische Bereich erhalten bleibt.“ "Wir können die Entwicklung in unserem Land nicht trennen von dem, was in den Gemeinden vor sich geht", meinte Reitz, der dafür dankte, daß in Brechen ein so waches kulturelles Leben herrscht, und dem Bürgermeister die Grüße des Innenministers überbrachte und eine zweckgebundene Spende überreichte.
Als Schirmherr machte Landrat Wolf der Gemeinde ein Kompliment für den Zusammenhalt und die kulturelle Arbeit der Ortsvereine. Die Gemeinde Brechen habe in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Als „Limburger Bub" könne er nur staunen, wenn er durch die Gemeinde komme, meinte der Landrat und zählte die Errungenschaften der letzten Jahre auf. Es sei nicht zuletzt Bürgermeister Runte und dem aufgeschlossenen Gemeindevorstand und der Gemeindevertretung zu danken, dass sich die Gemeinde heute so darstellen könne.

Weit über 2000 Menschen füllten am Freitag- und Samstagabend das Festzelt bis auf den letzten Platz, wobei anlässlich des „Großen bunten Abends“ am Samstag die ersten Besucher bereits um 17.30 anrückten, um einen möglichst günstigen Platz zu bekommen. Großen Beifall fanden hier vor allem die „Conbrios", „eine etwa 20 Mann starke Gesangsgruppe, die einen musikalischen Fächer von der Westside-Story über „Karneval in Rio" bis zum „Blauen Enzian" boten“.

Am Heimattag selbst konnte das Zelt die vielen anrückenden Menschen kaum fassen und viele standen in mehrfachen Reihen um die Theke. Mit Mühe konnten die reservierten Plätze für den Landrat und die Bürgermeister aus dem Kreis Limburg freigehalten werden. Die NLZ berichtet „Der Genuß eines erfrischenden Trunkes stand zu diesem Zeitpunkt höher im Kurs als die angekündigten Darbietungen. Die Seitenplanen des Zeltes wurden hochgerollt, dann rollte es „Schlag auf Schlag" über die Bühne.“
Schülerinnen der 3. Klasse tanzten Volkstänze und ältere Schülerinnen und Schüler einem Formationstanz. Die Ortsvereine waren mit Auftritten präsent – u.a. taten sich die Chöre der verschiedenen Gesangvereine zu einer spontanen Sängervereinigung zusammen und gaben Lieder zum Besten.
Die Gäste - u.a. waren der in Niederbrechen geborene Kapuziner-Pater Böß aus Indonesien und ebenfalls in Niederbrechen geborene Josef Weier aus München angereist – bekamen nochmal die Szene der Übergabe der Schenkungsurkunde durch die Rupertinerin Rachilde zu sehen, während der Vizepräsidenten des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, Hölzer, Bürgermeister Runte eine aktuelle Urkunde überreichte und ihm und der Bevölkerung zum Jubiläum gratulierte.
Hatten die Feuerwehrleute am Sontag eine Übung auf dem Schulgelände zu absolvieren, mussten sie am Montagnachmittag – mitten im Tanzen, Zechen und Fröhlichsein – zu einem Einsatz an die Müllkippe am Werschberg, wo so zu verhindern, dass die Flammen auf das sich angrenzende Wäldchen übergriffen.
[NLZ 02.07.1973: Historie kann man nicht zu den Akten legen. Tradition wahren und dem Fortschritt aufgeschlossen sein - Brechen feiert das 1200jähriges Bestehen; NLZ 04.07.1973: Beim Heimattag war alles eine Familie. Niederbrechens 1200-Jahrfeier ein turbulentes Vergnügen - Vier Tage lang ein ausverkauftes Zelt]


(Fotos: Dieter Ehrlich; 0-10, 0-13, 0-16 Fotos aus dem Film „1200 Jahre Niederbrechen“ von Dieter Ehrlich)

Quelle: Arbeitskreis Historisches Brechen, 02.01.2022, -GB-

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