Visitationsprotokoll von Dekan Janny aus Limburg vom 19.08.1771 anlässlich seines Besuchs in Niederbrechen 1771

Zur schuldigen Folgeleistung des von einer Hochw. Officialatsstelle zu Koblenz unterm 7. Juni erlassenen Decreti seynd folgende Verordnungen bei vorgewesener Visitation veranlasset worden:

zu § 1:

Die schulbare Jugend soll angehalten werden, 3 Viertel Jahr, nemblich von Michaelis bis anfangs der Ernte in die Schule zu gehen, und nicht ehender aus der Lehrschul entlassen werden, bis dahin ein zeitlicher Herr Pastor deren hinlängliche Fähigkeit im Lesen, Schreiben, guten Sitten und christlicher Lehr anerkennet und zur hl. Communion angenommen hat.

zu § 2, Artikel 1:

Der alte löbliche Gebrauch, das erbauliche Beispiel, die Ehre des Gottesdienstes, ja die selbst eigene Ehre erfordern es, daß die Herrn Gerichtsschöpfen in der Kirche auf den gewöhnlichen Ehren-Bänken ihren Sitz nehmen.

zu Artikel 2:

Denen Männern und Bürgern gebühret gleichfalls der Vorzug; also sollen diese die untere Bühne in der Kirch einnehmen; die erwachsene Jugend und Knechte in ihren angewiesenen Stühlen auf der oberen Bühne. Denn wo keine Ordnung in der Kirch, da erfolget jederzeit ein Grund der Ärgerniß zur Beschimpfung des Gott geheiligten Dienstes.

zu Artikel 3:

Die loßledige Weibspersonen nehmen in der Kirch die vorderen Stühle ein, die verheirateten die hintern Stühle, womit diese ein wachsames und sorgsames Aug auf das Betragen ihrer Kinder oder Untergebenen haben können. Es ist sodann einläugbar und unerträglich, daß man die kleinen Kinder in den Gottesdienst mithinein nimmt, wodurch die Andacht des Volks, ja die selbst eigene Andacht zum Nachtheil ihrer Seelen-Verdienste gestöret wird: Es wird also ein jeder von selbsten so bescheiden sein, diesen Fehler abzustellen, womit man, sich nit genöthiget finde, von Amtswegen die Übertreter mit gebührender Strafe zu belegen.

zu Artikel 3:

Wann die Chorjungfern singen, sollen auf dem Gebühnen die junge Pursch schweigen, weiters auch durch Nachprüllen selbige den männlichen Chor nicht stören. Dann wie Gott im Himmel die Ordnung unter den Engeln und Heiligen liebet, also liebet auch Gott unter seinen Heiligglaubenden auf Erden eine gute Ordnung in der Kirchen. Ferners, wenn einige zarte Stimmen vorsingen, so schweigen alle anderen und antworten nur, wann es die Ordnung erfordert.

zu § 3:

Wegen die Woch hindurch zutringender Arbeit und notwendigen weltlichen Geschäften werden von Vielen viele hl. Messen verabsäumet, also erfordert ja das Seelen-Heil, daß man diesen Seelen-Schaden auf Gott geheiligten Tagen mit Anhörung mehrerer hl. Messen ersetze, also nicht nur der Frühmeß beiwohne und aus der Kirche in die Brandenweins-Häußer laufe, sondern auch dem Amt und Wort Gottes beiwohne. Herr Pastor wird in Zukunft, um dieses Gott gefällige Werk zu erhalten, zwischen dem hohen Amt einen Sonntag die erste christliche Lehr anstatt der Predig, und nachmittags die 2te christliche Lehr, den anderen Sonntag darauf, wie auch an Festtagen zwischen dem Amt eine Predig, und nachmittags eine christliche Lehr, oder an hohen Festtagen die Vesper halten.

zu § 4:

Die nach der gnädistgen Verordnung seiner Ertzbischöflichen und Churfürstlichen Durchlaucht angenommene und aufgeschworene Hebamme Magdalena Stilgerin soll in Zukunft alleinig zu dem Hebambt (an welchem Leib und Seel gelegen ist) berufen und gebraucht werden. Die aus gewissenhaften Ursachen abgesetzten Hebamme Euphrosinae Bertram wird das Pflegeambt bei denen Kindbetterinnen unter Thurmstraße untersaget, und denen übrigen Pfarrgenossen unter 2 Pfund Wachsstraf verboten, diese zu berufen. Die mit würklichen Sendstrafen belegte Ubertretere werden von Ambtswegen zu der andictirten Sendstraf erkläret, selbige binnen 14 Tagen sub poena durft zu erlegen.

Fernere Verordnungen.

Es ist leider angemerket worden, daß in diesem so ansehnlichen Gotteshauß nur eine zum Gebrauch dienliche Glocke vorhanden seye, weilen die andere zersprungen, mithin den bischöflichen Segen und Salbung verloren hat, die dritte aber gantz und gar unbrauchbar ist; also wird von geistlichen Ertzbischöflichen Ambtswegen anbefohlen, daran zu sein, damit nach Möglichkeit baldigst die Glocken zum Gebrauch hergestellet werden, woran einem jeden gotteseifrigen Pfarrkind gelegen ist, in Betracht, daß er Glockenschall ein Werkzeug des Lobes Gottes ist, womit der Gottesdienst beherrlichet, die Gerechte und Unschuldige zum Dienst des Herrn eingeladen, die Sünder selbst aber zur Buß und Gnad Gottes berufen werden. Fürs erste aber weilen durch den geheiligten Glockenschall schädliche Ungewitter, teufliche Zaubereien abgewendet (werden) zum Trost derer Lebendigen sowohl als Verstorbenen. Fürs andere wird die löbliche alte Ordnung durch den Unterschied des Glockenschalles angezeiget der unterschiedene Gottesdienst auf denen Werk-, Sonn- und Feiertägen.

2tens ist das Tuchbleichen auf dem Kirchhof als einem eingeweihten und geheiligten Ort und Gottesacker unter willkühriger Sendstrafe verbotten.

3tens. Da ein oder anderer sich mit ehrendiebischen und respectvergessenen Worten öffentlich ausgelassen: Erstlich Herr Pastor hätte zuviel an seine Pfarrgebührnissen gefordert, 2tens wann sie auch in Todtsnöth wären, so wollten sie doch ihrem Herrn Pastor als Seelsorger nimmermehr beichten, und sollten sie auch ohne mit dem heiligen Geheimnüssen versehen zu sein, dahinsterben, und da dieses zum Nachtheil der Pfarrgenossenschaft bekannt und ruchbar, so hat Visitator Archiepiscopalis um einstweilige Genugthuung des Herrn Pastoris und Ergäntzung dessen verletzter Ehre mit geschärfter Rede die gebührende Ahndung verrichtet in Gegenwart deren versammelten Pfarrkinder.

4tens. Weilen die Berger Felder anjetzo von der Gemeinde verpfachetet worden seynd, und vorhinnen á tempore immemoriali Herr Pastor in pohsehsione ist, und davor den Lämmerzehnten genossen, so wird ihm dieser Zehnden dennoch, obwohlen er selben anverlanget hat, widerrechtlich nicht gereichet.

5tens.Auch ist niemahlen hier ein Pastor gewesen, der nicht sein hinlängliches Holz von der Gemeinde bekommen; dieses wird auch Pastori abgesprochen, und darüber wird Visitator an Hochw. Officialat den behörigen Antrag thun.

Praesentibus Synodalibus ist als obiges vorgenommen, untersuchet und wahr geheißen worden, worüber dann Visitator veranlasset wirden, obiges, wie beschrieben, zu verordnen.

Quelle: Staatsarchiv Koblenz, Kurtr. Religions- und Kirchensachen. Generalia Nr. 101a., veröffentlicht in: Heimatbuch von Niederbrechen (1925), S. 29-32 sowie teilweise in: Unser Heimatbuch (Müller, 1967), S. 104-105

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