Amtmann Johannes Jakobus Finger

Wiedergabe der entsprechenden Veröffentlichungen hierzu aus den beiden Heimatbüchern von Niederbrechen

Der kurtrierische Amtsverwalter und Kellner Johannes Jakobus FINGER, der auch eine Zeitlang in Niederbrechen tätig war, besaß in unserer und verschiedenen andern Gemarkungen der näheren Umgebung reichen Grundbesitz, der insgesamt mehr als 125 heutige Morgen umfaßte.

Er machte am 4. Februar 1802 in Wehrheim, wo er zuletzt wohnte, und 1808 verstarb, sein Testament.

In diesem verwandelte er sein "ganzes zurückgelassenes Vermögen in eine fideikommissarische Erbschaft". – Diese sollte den 3 Kindern seines "verstorbenen Schwestersohnes" zufallen, die die Erbmasse "ohngeschmälert und ohne allen Abzug bei ihrem Absterben an ihre zurücklassenden ehelichen Kindern oder allenfalls Enkel überliefern" sollten.

Falls jedoch keine ehelichen Kinder oder Enkel von den 3 Erben mehr am Leben seien, sollen auch deren ehelichen und lebenden "Deszendenten" (Abkömmlinge der absteigenden Linie) noch 36 Jahre den Ertrag der "Vermögensschicht" genießen.

"Nach Verschleiß dieser Zeit soll dieses Fideikommis in ein fortwährendes Stipendium für die in dem Flecken Niederbrechen gebürtigen und in christlich-apostolisch-römisch katholischer Religion erzogene Jugend beiderlei Geschlechts abgeändert werden."

In dem Testament bittet er das "löbliche Gericht zu Niederbrechen und den Ortsvorstand" je einen Mann als "Curator" zu bestellen und die Oberaufsicht und die Verwaltung des "Stipendiums" zu übernehmen. Dieses Gremium, der Verwaltungsrat, besteht aus dem I. und II. Curator, den Mitgliedern des Ortgerichtes und denen des Gemeindeparlaments.

Inzwischen ist das Stipendium nach den Bestimmungen des Testamentes an die Gemeinde Niederbrechen übergegangen, die den Ertrag desselben an zwei ledige junge Leute, je ein Junge und ein Mädchen, die sich in der Ausbildung befinden müssen, aus der Gemeinde zuwendet. Die Stipendiaten müssen ehelich geboren und bestimmungsgemäß in der "christlich-apostolisch-römisch katholischen Religion auferzogen sein, erhalten den Ertrag des Stipendiums für eine Zeit von 4 Jahren zugeteilt, um wie es in der Stiftungsurkunde heißt, " ... sich geschickt zu machen und sich ehrbar ernähren zu können ..." Als einzige Auflage sollen die Stipendiaten täglich drei Vaterunser und drei Avemaria für das Seelenheil des Stifters beten.

Quelle: Unser Heimatbuch (Karl Müller, 1967), S. 157-158

 

Das Fingersche Stipendium zur Fortbildung junger Leute von Niederbrechen ist eine hochherzige Stiftung des aus Niederbrechen gebürtigen vormaligen Amtsverwalters und Kellners Joh. Jakobus Finger zu Wehrheim. In seinem am 4. Januar 1802 niedergeschriebenen Testament bestimmte er seinen ganzen Nachlaß zu einem Fideikommiß bzw. zu einem Stipendium für junge unverheiratete Leute seines Geburtsortes dergestalt, daß

a) die von ihm eingesetzten fideicommissarischen Erben, nämlich die drei minderjährigen Söhne aus der Ehe des Sohnes seiner verstorbenen Schwester, Peter Groß, gräflich von Walderdorfischen Kellners zu Limburg, mit Margareta geborenen Roos, namentlich Johannes Jacobus, Simon Friedrich und Peter Friedrich Groß, die Verlassenschaft lebenslänglich benutzten, aber nach [39] ihrem Absterben an ihre Kinder oder Enkel ungeschmälert kommen lassen sollten;

b) beim Absterben eines der genannten Erben sollten dessen eheliche Leibeserben oder weitere Descendenten an dessen Stelle treten und dessen Anteil ebenso benutzen;

c) wenn der Verstorbene seine eheliche Descendenz zurücklasse, sollte die dadurch erledigte Nutznießungsportion an die übrigen Erben zu gleichen Teilen fallen;

d) sollte dieses Fideikommiß auch auf die ehelichen Kinder und Enkel der drei genannten Erben dergestalt übergehen, daß so lange von einem der drei Erben noch Kinder oder Enkel vorhanden, die ihres Stammes Erbportion zu genießen hätten, auch die Urenkel und weiteren Descendenten des anderen Stammes zum Genusse ihres Stammes-Anteils zugelassen werden sollten, und

e) zu der Zeit, daß keine ehelichen Kinder oder Enkel von den unter a) genannten drei Erben mehr am Leben, sollten deren weitere Descendenten alle zusammen die fideikommissarische Verlassenschaft noch 36 Jahre fortgenießen; nach Verlauf dieser Zeit aber sollte

f) das Fideikommiß in ein fortwährendes Stipendium für zwei aus Niederbrechen gebürtige, in der römisch-katholischen Religion erzogene junge Leute im Alter zwischen 12 und 30 Jahren umgeändert werden.

Für eine zwölfjährigen Genuß des Stipendiums war dann von dem Gericht und dem Ortsvorstand ein Jüngling und ein Mädchen zu wählen, die bei ihrer Wahl noch unverheiratet und von guter Aufführung sein mußten und Willens waren, während der Genußzeit alle Tage morgens frühe zur Anbetung des dreieinigen Gottes drei Vaterunser und gegrüßet seiest du Maria andächtig zu beten. Erst während der Genußzeit war ihnen erlaubt, sich zu verehelichen.

In § 12 des Testaments sind Ortsgericht und Ortsvorstand gebeten, die Oberaufsicht und Verwaltung der Verlassenschaft zu übernehmen und zwei Kuratoren, einen aus dem Gericht und einen aus dem Ortsvorstand zu wählen, die das Nötige besorgten und am Ende eines jeden Jahres Rechnung ablegten.

Um sich die Fideikommißmasse für immer zu erhalten, schlugen die Erben Groß und Roos der Gemeinde Niederbrechen vor, ihr sofort eine Abstandszahlung von 9000 Gulden zu zahlen, deren fünfprozentige Zinsen zum Kapital geschlagen in 36 Jahren ein das in 35 427 Gulden bestehende Fideikommißvermögen weit übersteigendes Kapital ergeben würde.

In Anbetracht der Länge der Zeit bis ihr das Fingersche Vermögen als Stipendium zufallen würde und in Erwägung dessen, daß in dieser langen Zeit das Vermögen vielfältigen Gefahren aussetzt sein konnte, ging die Gemeinde auf den Vorschlag der verwitweten Frau Kellnerin Groß als der natürlichen Vormünderin ihrer drei minderjährigen Kinder ein und schloß am 31. Mai 1805 einen dahin zielenden Vertrag mir ihr ab, der in den Akten des Staatsarchivs Wiesbaden im Original aufbewahrt ist. 

Es trägt die Unterschriften:

seitens der Erben: M.M. Groß, Seiz, Roos;

seitens der Gemeinde: des Schultheißen G.H. Schupp; der Schöffen: Johannes Dillmann, Simon Stilger sen., Bartel Roth, Johannes Werner, Hangörg Esel, Simon Stilger jun.;

des Gerichtsschreibers: Johann Christian Kremer,

der Vorsteher und Deputierten: Peter Pistor, Josef Fuchs, Peter Schupp, Joh. Görg Stillger.

Besiegelt ist der Vertrag mit dem Gerichtssiegel der Gemeinde Niederbrechen, das ein Wappenschild mit einem Kreuz, darüber das Brustbild des hl. Maximin und die Umschrift zeigt: Sig. des Gerichts zu Nbrechen.

In fidem praemissorum zeichnete der Notar B. Meurer und als Zeugen: B. Schönborn, Pastor in Niederbrechen; Fr. Fabricius, Dr. med.

Der Vertrag scheint nicht perfekt geworden zu sein; denn es berichtet am 20. Mai 1828 der Amtmann Justizrat Grüsing der herzoglichen Regierung in Wiesbaden, daß die Fideikommisserben bis auf den Keller Friedrich Groß vom Limburg gestorben seien und dieser seit längeren Jahren in kinderloser Ehe lebe, so daß der Zeitpunkt wahrscheinlich nicht mehr fern sei, in dem die Einwohner von Niederbrechen an dieser Stiftung participierten.

Eine damals von der herzoglichen Regierung angeordnete Nachprüfung der Fideikommissverwaltung ergab eine Verminderung des Fideikommißvermögens um mehrere tausend Gulden, die dadurch entstanden war, daß die Verwaltung ihre Ausgaben, anstatt von den Zinsen vor deren Auszahlung an die Erben, von der Erbmasse abgezogen hatte.

Quelle: Heimatbuch von Niederbrechen (1925), S. 38-41

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