Am 23. und 24.9.1978 findet in der Emstalhalle Brechen, ein Heimattreffen der Neudorfer und Nachbargemeinden aus dem Kreis Römerstadt im Altvatergebirge statt.
Hierzu laden wir alle ehemaligen Landsleute aus dem Römerstädter Kreis ein. Besonders die jüngere Generation, welche die Heimat ihrer Vorfahren nur vom Erzählen kennt, kann das Gehörte durch die Dia-Vorträge vertiefen und abrunden. Obwohl von den Dörfern und Städten nur noch Bruchteile vorhanden sind, ist die Gegend immer noch sehr schön, und eines Rückblickes wert.
Es werden Dia aus dem Altvatergebirge gezeigt, z.B. Heidebründel, Alfredshütte, Hirschbrunnen, Petersteine, Altvaterturm (der alte wurde abgerissen und ein Fernsehturm tritt an seine Stelle), Teilansicht von Römerstadt, Harrachsdorf, die neu renovierte Lindenkirche ebenso die inwendig total zerstörte Wallfahrtskirche Köhlerberg, früher ein Wahrzeichen über viele km hin sichtbar.
Teile von dem Waldarbeiterdorf Brandseifen und fast alle noch übriggebliebenen Häuser von Neudorf werden im Bild gezeigt werden.
Der Programmablauf sieht folgendermaßen aus:
SAMSTAG, den 23.9.1978 ab ca. 17 Uhr Treffpunkt in der Brechener Stube unterhalb der Halle
SONNTAG, den 24.9.1978 um 10.30 Uhr Hochamt in der Kirche Oberbrechen. Anschließend Treffpunkt Emstalhalle. Mittagessen
13.00 Uhr Begrüßung
13.30 Uhr Dia-Vortrag in der Aula der Schule Oberbrechen gegenüber der Halle.
(Quelle: Inform. Informationsblatt für die Gemeinde Brechen, 21.09.1978, S. 10: Heimattreffen der Neudorfer Kreis Römerstädter und Nachbargemeinden in der Emstalhalle Brechen.)
Nachbericht zum Treffen der Neudorfer und Nachbargemeinden aus dem Kreis Römerstadt am Altvatergebirge in der Emstalhalle Brechen
Das am 23. und 24.9.1978 stattgefundene Heimattreffen, in den Räumen der Emstalhalle Brechen im Kreis Limburg kann als ein großer Erfolg in die Geschichte der Heimattreffen eingehen.
Die kühnsten Erwartungen der größten Optimisten wurden noch weit übertroffen.
Schon am Samstag, beim zwanglosen Zusammensein, schien die Brecher Stubb, wie sie von den Einheimischen genannt wird, aus allen Nähten zu platzen. Alle ca. 150 Sitzplätze waren restlos besetzt, so daß noch zusätzlich Tische und Stühle herbeigeholt werden mußten.
Der Dia- und Filmvortrag mußte deshalb kurzfristig in den Tischtennisraum umdisponiert werden. Es wurde, wie schon in unserer Heimatzeitung angekündigt, Bilder aus dem Altvatergebirge, Neudorf, Nachbargemeinden, Köhlerberg innen und außen, Lindenkirche und auch einiges aus Römerstadt gezeigt. Das Prunkstück, wie aus den Diskussionen zu entnehmen war, dürften wohl die Innenaufnahmen der Lindenkirche und Köhlerbergkirche gewesen sein.
Die Lindenkirche, erstmals 1428 als Holzkirche erbaut, von den Hussiten niedergebrannt, 171o bis 1716 neu in massiver Bauweise, von dem Maurermeister Friedrich Hößler und Sohn Cyprian, aufgebaut. Die Deckengemälde wurden vor ca. 4 Jahren restauriert. Das Hochaltarbild und die Deckenfresken wurden von dem in Jonsdorf geborenen Barockmaler und später sehr berühmt gewordenen Johann Christoph Handtke (1694-1772) geschaffen. Die L. Kirche den älteren Neudorfern als Wallfahrtsort am Anna-Tag bestens bekannt.
Das Gegenextrem die Kirche auf dem Köhlerberg, ebenfalls als eine über viele km hin sichtbare Wallfahrtskirche bekannt, schockte so manchen Betrachter. Mutwillig zertrümmerte Altäre, Putten, Orgel, Predigtstuhl und alles was nur zerstörbar ist, wurde demoliert. Den Rest überläßt man dem natürlichen Verfall der Zeit. Auch der Film von Rudi Kraus, jetzt in Idar-Oberstein über Brandseifen erfreute sich allgemeinen Interesses.
Leider konnte Christel Ender, wegen zu vorgerückter Stunde ihren Film nicht mehr vorzeigen und mußte sich auf Sonntag vertagen. Mittlerweile ging es nebenan schon sehr lustig zu, bei Zither und Gitarrenklängen, vorgetragen von Herrn Dittrich und Großmann, wurde gesungen und geschunkelt.
Jetzt erwies es sich als nützlich, daß der Dia- und Filmvortrag in einem anderen Raum stattfand.
Bei heimatlichen Gesängen und Vorträgen, welche oftmals auch im Dialekt vorgetragen wurden, erfreute man sich bis zu später Stunde.
Die Erinnerung ließ so manches Auge feucht werden. Daß die Neudorfer auch früher schon zu feiern verstanden und gut singen konnten, bestätigte der anwesende frühere Kaplan von Neudorf und jetzige Pfarrer von Grebenhein, bereits 70jährige Bruno Esch dem man sein Alter nicht ansieht.
Wahrscheinlich trägt seine homöophatische Tätigkeit, welche er als Hobby betreibt, viel dazu bei.
Zu später Stunde wurde der Weg in die Quartiere angetreten.
Am Sonntag um 10.30 Uhr begann das erstaunlich gut besuchte Hochamt. Gelesen von unserem Heimatpfarrer B. Esch, assistiert von Herrn Röscher und drei Ministranten. Anfangs begrüßte auch Pfarrer Schmidt, der Hausherr der O. Brechener Kirche, die Gekommenen und wünschte einen angenehmen Aufenthalt. An der Orgel spielte Oskar Zohner, jetzt Rektorin Hambach, die von der Mehrzahl der Anwesenden gewünschte Schubertmesse. (Schubert bekanntlich in unserer früheren Heimat geboren).
In seiner Predigt sprach Pfarrer Esch die heutigen Verhältnisse in der CSSR und BRD an. Nach dem Hochamt traf man sich in der Emstalhalle im großen Saal zum gemeinsamen Mittagessen.
Währenddessen trafen immer noch Neuankömmlinge ein. Gegen 14 Uhr, nachdem auch der Bürgermeister der Gemeinde Brechen eingetroffen war, konnten alle Gäste aus nah und fern begrüßt werden. Tln. aus Hamburg bis München praktisch aus dem ganzen Bundesgebiet, waren gekommen. Ein besonderer Willkommensgruß ging an Pfarrer Esch, Rektor Zohner, Bürgermeister Kramm und den Verfasser des Römerstädter Ländchens, Herrn Zimmer. Unter anderem erwähnte ich, daß es nach über drei Jahrzehnten an der Zeit war, einmal zu einem Heimattreffen größerer Art einzuladen. Der rege Zuspruch, es waren am Sonntag über 300 Landsleute gekommen, bewies, daß die Einladung angenommen wurde. Alle, natürlich auch ich, waren sehr erfreut darüber. Ich dankte allen Helfern und Gekommenen, denn jeder einzelne Anwesende trägt seinen Teil zum Gelingen eines solchen Wiedersehens bei. Die Verhältnisse in unserer früheren Heimat, welche ich vor acht Wochen besuchte, haben sich seit meinem letzten Besuch für die Zurückgebliebenen nicht viel geändert. Uns konnte 1946 nichts besseres passieren, als mit 50 kg Gepäck binnen 24 Stunden vertrieben zu werden. Das Elend der Zurückgebliebenen, von der Gesellschaft ausgeschlossenen Deutschen, gemessen an unserem Lebensstandard, sollte uns trotz allem dankbar sein lassen und manchmal zum Nachdenken veranlassen.
Die freie, persönliche Entfaltung des Menschen, was bei uns selbstverständlich ist, ist in der jetzigen CSSR nicht möglich.
Rektor Zohner dankte den Organisatoren für ihre mühevolle Arbeit zum Gelingen der Zusammenkunft. Erfreut war er über die rege Beteiligung. Es wären ja fast so viele Menschen anwesend als früher Einwohner in Neudorf waren. Schwierigkeiten bereite ihm das Erkennen der jüngeren Generation. Er orientierte sich viel an der Ähnlichkeit und Stimme der Vorfahren.
Bürgermeister J. Kramm begrüßte ebenfalls alle Anwesenden und erwähnte, daß er gerne unter ihnen weile und sich stets über die reichhaltige Kultur informiert und interessiert habe.
Er lud die Neudorfer und Nachbargemeinden ein wieder nach Brechen zu kommen, falls ein derartiges Treffen geplant würde. Auch Herr Zimmer begrüßte die Anwesenden und dankte dem Veranstalter für seine Mühe. Er trug noch einige Gedichte in heimatlicher Mundart vor und wies abschließend auf einige Heimatbücher und Schriften hin.
Mein Bruder Hermann überreichte mir noch im Auftrag aller 6 anwesenden Geschwister eine F lasche Wein.
Nun nahm die Unterhaltung ihren freien Lauf, denn es gab ja so viel zu fragen und zu erzählen.
Nebenan, in der Aula der Schule, wurde für Interessierte wieder ein Dia- und Filmvortrag abgehalten. Auch dieser Raum, ca. 140 Plätze war restlos belegt.
Zu später Stunde hieß es Abschied nehmen, viele Tränen wurden vergossen. Alle Teilnehmer waren voller Dankbarkeit und die Nachfrage nach dem nächsten Treffen groß.
Die ältesten Teilnehmer dürften wohl Herr Alois Zoht und Franz Schrott gewesen sein. Ersterer 86 Jahre und H. Schrott 77 Jahre.
Beiden wünsche ich alles Gute, beste Gesundheit und einen angenehmen Lebensabend.
NOCH ETWAS GESCHICHTLICHES: Neudorf liegt als höchster Ort; mit 827 m.ü.M. des K. Römerstadt am Fuße des 1492 m hohen Altvatergebirges. Ca. 5oo Einwohner. Kulturell sehr aktiv. Eine über 2o Mann starke Blaskapelle, ein Streichorchester, Kirchenvorstand und Sängerbund. In fast jedem Haus wurde musiziert und gesungen.
Erwerbsmöglichkeiten: Im Ort selbst: Bergbau, Holzverarbeitung, Landwirtschaft und Flachsverarbeitung. In der näheren Umgebung, Seiden und Textilwebereien sowie eisenverarbeitende Industrie und Gießereien. Urkundlich: Neu Hoffmanstal nach dem Gründer Hoffmann Freiherr von Grünbichel.
Erste Siedler: Riedel, Heider, Weinelt, Hoffmann, Dfttrich.
Es sollen Sachsen oder Hessen gewesen sein. Ortsnamen wie Römerstadt, Schönberg, Betsdorf, Waldeck, Friedrichsdorf finden sich auch rund um den Altvater.
Erstmals erwähnt um 1600 ab ca. 1770 Umbenennung im Neudorf.
Ab 1711 wurde durch die Pest die Bevölkerung stark dezimiert.
Um dieser üblen Krankheit Herr zu werden, wurden die Häuser samt Toten und Inventar verbrannt. Bis 1714 starben 88 Menschen. Als 100. und letzter der Pfarrer. Das grausame Geschehen veranlaßte die Bevölkerung am Mutter-Anna-Tag (26.7.) eine Wallfahrt in die Lindenkirche zu machen. Der Tag selbst wurde zum freien Festtag erklärt. Die Gemeinde wurde in Zukunft von der Pest verschont und die Wallfahrt bis zur Austreibung durchgeführt.
(Quelle: Inform. Informationsblatt für die Gemeinde Brechen, 05.10.1978, S. 05: Treffen der Neudorfer und Nachbargemeinden, aus dem Kreis Römerstadt am Altvatergebirge in der Emstalhalle Brechen.)