Bauerntag 82 des katholischen Landvolkes am Dreikönigstag in der Emstalhalle

Neben dem Erntedankfest wird nun auch der Bauerntag des katholischen Landvolkes im Bistum Limburg schon zur Tradition in unserer Gemeinde, der Mitte des Goldenen Grundes. Am Dreikönigstag, Mittwoch, dem 06.01.1982, fand man sich erneut in der Emstalhalle zu diesem jährlich sehr interessanten Tag des katholischen Landvolkes ein.

Das Programm sah neben der Eröffnung durch den Vorsitzenden der Katholischen Landvolkbewegung in der Diözese (Georg Wüst aus Hausen) ein Referat von Herrn Sepp Rottenaicher, prakt. Landwirt und Landvolkreferent, Passau:

„Bauern sein ist mehr als produzieren“, ein gemeinsames Mittagessen und Kaffee, sowie vom Bruder des o.a. Vorsitzenden, Herrn Pfarrer Hans Josef Wüst (Eschborn) über „Brasiliens Bauern und die Probleme der Agrarreform“ – ein Erfahrungsbericht zur Lage der Landbevölkerung und ein Gottesdienst als Ausklang des Tages vor.

Der Tag wurde für alle wieder zu einem Erlebnis und wir bringen nachstehend einige Gedanken hierzu:

Im bis auf den letzten Platz gefüllten Freizeitraum der Emstalhalle wurden die Zuhörer mit Gedanken konfrontiert, die entgegen dem heutigen Produktions-, Expansions- und Investitionsgedanken versuchten, den Sinngehalt bäuerlicher Arbeit aus seiner Verschüttung wieder ans Licht zu bringen. Wege wurden aufgezeichnet, wie man das Ur – Bauerntum mit seiner zwar harten, aber beglückenden Tätigkeit von der Saat bis zur Ernte wiederentdecken und bewahren sollte.

Die Rede Rottaichers war geprüft von den Grundgedanken des christlichen Glaubens und der Gottesnähe, die kein anderer Berufsstand so intensiv hat wie der Landwirt.

Um Glück, Zufriedenheit und Freude zu finden, sollte man in der Familie den Anfang machen, in dem man sich Zeit füreinander nehme.

Wer sich damit herausrede, „keine Zeit“ zu haben, aber alles stehen und liegen lassen, um seinen Sport oder einer anderen Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, beweise damit mangelndes Partnerschaftsinteresse und wenig Liebe.

Dieses „abgedroschene“ Wort wollte der Referent ebenfalls richtig verstanden wissen durch das Fehlen von Besitzergreifung und Machtausübung.

Partnerschaft im wirtschaftlichen Sinne gelte zwar im Geschäftlichen als Phrase, doch sollte im bäuerlichen Leben, auch wenn es um Erwerb und Existenz gehe, dass so wichtige Aufeinander eingehen nie vergessen werden.

Kein anderer Berufsstand sei so darauf angewiesen, sich auf Familie und Mitmenschen verlassen zu können, wie der Bauernstand.

Alois Staudt, Landvolkpfarrer und Georg Wüst bedankten sich für den eindrucksvollen Vortrag, über den noch ausführlicher zu berichten wäre.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen sprach Hans Josef Wüst (Pfarrer in Eschborn) von den Erfahrungen eines 13jährigen Aufenthalts in Brasilien, bei dem er nicht nur geben konnte, sondern bei dem er auch sehr viel gelernt hätte.

Pfarrer Wüst, der im ärmsten Norden Brasiliens tätig war, bezeichnete die Lage der dortigen Bauern und vieler Menschen überhaupt als „unmenschlich“.

Großgrundbesitzer, auch deutscher Herkunft – große Firmen hätten allein im Februar 1981  6 Millionen Bauern von ihrem Land vertrieben und sich dieses Land für Industriezwecke oder auch landwirtschaftlicher Großnutzung angeeignet.

Diese Menschen enden dann in Slums von Großstädten, wo sie ein wirklich unmenschliches Leben führen und kaum das notwendigste zum Leben hätten.

Aus persönlichen Gesprächen von Menschen, die in Brasilien wohnen, konnte sich der Chronist im vergangenen Jahre von gleichen oft erschreckenden Berichten vergewissern.

Ein jüdisches Ehepaar, welches hier auf Besuch war und in Brasilien wohnt, äußerte sich im Hinblick auf die gerade zu dieser Zeit hier stattfindende Sperrmüllabfuhr, daß derartiges alles von ihnen von der Straße geholt würde.

Wenn eine frühere Arbeitskollegin, die heute kath. Ordens-schwester in Brasilien ist, von Leid und Elend erzählt, dann muss man still sein, muss in sich gehen und denken, wie kann man da helfen?

Der Bauerntag schloss mit einer Messe, die von beiden Geistlichen Schmidt und Staudt zelebriert wurde.

Ais dieser Messe ging man wieder hinaus in den Alltag, der gerade auch für unsere Bauern nicht immer leicht ist.

Möge ihnen dieser Tag wieder neue Kraft und Freude für ihren Beruf gegeben haben, das wünscht sicherlich nicht nur

                                                      ihr Chronist

© Inform Brechen, 21.Januar 1982

 

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