Pfingstritt zur Berger Kirche 1933 - 1968

Einleitung

Traditionell ist der Mai für die katholische Kirche ein Marienmonat mit der besonderen Verehrung der Gottesmutter an den Marienfesten und in den Maiandachten. Daneben fallen im Mai – je nach Zeitpunkt von Ostern – weitere hohe Festtage wie Christi Himmelfahrt (und die vorangehenden Bittprozessionen), Pfingsten und Fronleichnam mit den jeweils damit verbundenen Prozessionen an. Gerade die Bitt- oder Flurprozessionen spielten in der Vergangenheit eine große Rolle, bat die landwirtschaftlich geprägte Gemeinde doch um Gottes Segen für gutes Wetter und eine gute Ernte. In diesen Kanon der kirchlichen Mai-Feiertage gehört für den Ortsteil Niederbrechen natürlich auch noch der 29. Mai als Patronatsfest des Heiligen Maximinus, dem Schutzpatron Niederbrechens.

All diese Feiertage bildeten für die Gläubigen der drei Ortsteile der Gemeinde Brechen (bzw. der jeweiligen Kirchengemeinden/Kirchorte) Anlass, ihren Glauben in verschiedenen Formen zum Ausdruck zu bringen - in Gebeten, Andachten, Gottesdiensten oder Prozessionen.

Die Mai-/Marien-Andachten in den jeweiligen Pfarrkirchen oder zentral in der Berger Kirche („auf Bergen“), die Bittprozessionen mit Gang in die Feld-Gemarkungen, Fürbitten und Segnung, die Fronleichnam-Prozession mit den prächtig geschmückten Blumenteppichen und Altären, in Niederbrechen noch das Maximinusfest mit dem Maximinustreff als geselliges Zusammensein (zunächst im Pfarrsaal, Pfarrhof oder Pfarrer-Herlth-Haus) oder der Maximinusritt (Reiterprozession als Bittprozession in die Fluren zur Segnung) sind den Älteren in guter Erinnerung, zeugen sie doch von einer tiefverbundenen Frömmigkeit, an die man sich gerne erinnert und die teilweise in modernen Formen weiter vorhanden sind.

 

Unvergessen sind die Pfingstritte zur Berger Kirche, die zwischen 1933 und 1937 sowie zwischen 1946 und 1968 stattfanden, weit über die Grenzen der Gemeinde ausstrahlten und einmal mehr die Berger Kirche als eine der ältesten Gotteshäuser der Region in den Mittelpunkt stellten.

Die Idee des Pfingstritts ist eng mit der Villmarer Junglandgruppe und dem Präses der katholischen Junglandbewegung, dem späteren Limburger Bischof Ferdinand Dirichs verbunden. Für Pfingstmontag 1933 wurde zum ersten Pfingstritt eingeladen und statt der erwarteten 60 bis 80 Pferde und Reiter kamen rund 270!

Die Anzahl der Reiter und Pilger stieg von Jahr zu Jahr - 1935 wurden über 600 Reiter gezählt! 1938 wurde der Pfingstritt von den Nazis verboten. 1946 lebte der Pfingstritt wieder auf und war über viele Jahre hinweg ein machtvolles Bekenntnis der Bauernschaft zur Kirche, zu Gott und zum Glauben. Mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft nahm die Zahl der Bauern ab, und die Pferde wurden von Traktoren verdrängt. Damit nahm auch die Zahl der am Pfingstritt teilnehmenden Pferde nahm von Jahr zu Jahr ab, so dass sich die Initiatoren entschlossen, den Pfingstritt 1968 einzustellen. Die damalige Hoffnung von Bischof Kempf, die Tradition der Wallfahrten zur Berger Kirche in anderer Form fortzusetzen, hat dabei nicht getrogen - bis heute ist die Berger Kirche Wallfahrts-, Gebets- und Andachtsstätte für den Goldenen Grund.

Der nachfolgende Text ist dem vom Arbeitskreis Historisches Brechen erstellten und vom Gemeindearchiv Brechen herausgegebenen Heft 1 der Schriftenreihe Gemeindearchiv Brechen mit dem Titel „Pfingstritt zur Berger Kirche 1933 – 1968“ entnommen. Das Heft, das viele weitere Informationen, Presseartikel, Materialien und Fotos enthält, kann zum Preis von 3,00 € im Brechener Rathaus, Marktstr. 1 erworben werden.

1933 – der erste Pfingstritt zur Berger Kirche

Die Idee des Pfingstritts entsteht 1932, als in Villmar bei einem Zeltlager der St.-Georgs-Pfadfinder an Pfingsten die Junglandgruppe Villmar unter Leitung von Josef Sahl ihren damaligen Diözesanpräses Ferdinand Dirichs (Subregens am Priesterseminar Limburg, später Bischof von Limburg) zu Pferde abholten (die Katholische Junglandbewegung war eine Gruppierung der jungen Bauern innerhalb des Katholischen Jungmännerverband Deutschlands).

In einer Besprechung der Verantwortlichen mit Präses Ferdinand Dirichs im Priesterseminar Limburg im September 1932 wird beschlossen, die Junglandarbeit in den Gemeinden des Goldenen Grundes aufzunehmen bzw. zu vertiefen und als „religiöse Bekenntnistat“ in die Öffentlichkeit zu tragen.

Die traditionelle Wallfahrt zur Berger Kirche soll wieder aufgenommen werden und der reitbegeisterte Dirichs schlägt vor, „das Pferd als Hauptarbeitskraft und als Vertreter des Viehs hierbei mitzunehmen“. Man einigt sich auf die Form einer Reiterprozession, die am Pfingstmontag 1933 durchgeführt werden soll. Zusammen mit den Kaplänen von Villmar und Niederbrechen bereiten Dirichs und die Junglandbewegung die Reiterprozession vor, wobei sie von Domkapitular Dr. Rauch tatkräftig unterstützt werden.

Zum Pfingstmontag am 05.06.1933 wird zum Pfingstritt eingeladen und statt der erwarteten 60 - 80 Pferde und Reiter kommen rund 270!

Pfarrer Schlitt, der als Kaplan in Niederbrechen den ersten Pfingstritt miterlebt hat, erinnert sich 1973: „Beim ersten Pfingstritt waren die genannten vier Geistlichen die einzigen Priesterreiter. Der Pfarrer von Niederbrechen, Dekan Kilburg, der das Allerheiligste trug, ging damals zu Fuß, umgeben von seinen Ministranten und einer Gruppe von Sturmschärlern. Erst später wurde das Allerheiligste von einem priesterlichen Reiter mitgeführt, und auch die Ministranten saßen zu Pferd.

Die älteren Bauern hatten den geplanten Ritt mit Pferden, die nicht gewohnt waren, in Formation zu gehen, für nicht ungefährlich gehalten. Dennoch wurden schon beim ersten Male annähernd 250 Pferde gezählt. Der würdige Verlauf zerstreute dann alle Bedenken und begeisterte gerade auch die Alten für ‚ihren’ Ritt.“ (Quelle: Inform vom 29.05.1980)

Die Pfingstritte bis zum Verbot im Jahre 1938

Am zweiten Pfingstritt (21.05.1934) nehmen rund 460 Pferde teil. Während 1933 das Allerheiligste in der Monstranz von Pfarrer Kilburg zur Berger Kirche getragen wird, trägt ab 1934 ein Priesterreiter das Allerheiligste in der Burse zu Pferd. Der Pfingstritt 1934 wird im Film aufgenommen.

Am 17.05.1937 findet der fünfte und vorläufig letzte Pfingstritt statt. Wie gut die Pfingstritte mittlerweile organisiert und vorbereitet sind, zeigt das nachfolgende Schreiben aus diesem Jahr. Ein Faltblatt enthält die Straßennamen, in denen die Reiter der einzelnen teilnehmenden Pfarreien Aufstellung zu nehmen hatten. Darüber hinaus existiert ein Gebet- und Liedheftchen, das die Reihenfolge der Lieder, Gebete und Fürbitten enthält.

Aufstellung der Reiter aus den teilnehmenden Pfarreien in den Straßen von Niederbrechen sowie die Namen der zuständigen Ordner (Liste aus den 1950er Jahren; in einer Liste von 1937 sind auch Dombach, Hasselbach, Langhecke und Niederweyer aufgeführt)

 

Pfarrei:

Strasse:

Ordner:

1.

Lindenholzhausen

Kirchstr.

Julius Heun

2.

Villmar

 

 

3.

Werschau

Langgasse

 

4.

Limburg

Brandgasse

 

5.

Camberg

 

Josef Stillger

6.

Würges

 

Josef Blum

7.

Erbach

 

 

8.

Niederbrechen

Mittelstraße

Wilhelmstrasse

Georg Rentz

Julius Kilian Heun

9.

Oberbrechen

Oberstrass

 

10.

Oberweyer

Obertorstrass

 

11.

Ahlbach

 

Josef Roth

12.

Steinbach

 

Max Stillger

13.

Thalheim

 

 

14.

Frickhofen

Nikolausstraße

 

15.

Nieder- und Oberzeuzheim

 

Peter Wünschmann

16.

Hadamar

 

Bernhard Stillger

17.

Niederhadamar

 

 

18.

Hundsangen

 

 

19.

Arfurt

Neue Str.

 

20.

Dehrn

 

 

21.

Dietkirchen

 

 

22.

Eschhofen

 

Martin Höhler

23.

Elz

Marktstraße

Wilhelm Stillger

24.

Offheim

 

 

25.

Nieder- und Obertiefenbach

 

 

26.

Niederselters

Zehntenstraße

 

27.

Oberselters

 

Josef Rosbach

28.

Eisenbach

 

Adam Diefenbach

29

Haintchen

 

Ludwig Königstein

Verbot des Pfingstritts im Jahre 1938

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 beginnt eine systematische Einengung des Kirchen- und Glaubenslebens. Viele kirchliche Organisationen und Institutionen werden verboten und aufgelöst, kirchliche Prozessionen und Veranstaltungen zunächst gestört und später verboten.

Während die deutschen Bischöfe das Recht der Kirche zu kirchlichen Prozessionen, Wallfahrten etc. im Reichskonkordat gewährleistet sehen, beharren die nationalsozialistischen Behörden darauf, dass „den durch den riesig gesteigerten Straßenverkehr bedingten verkehrspolizeilichen Erfordernissen“ Rechnung getragen werden muss und „Sperrungen verkehrswichtiger Straßen, … , oder Behinderungen, die zu Verkehrsstörungen führen könnten, nur noch dann zugelassen werden, wenn staatspolitische Notwendigkeiten es verlangen ...“ (Stellungnahme des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern vom 20. Mai 1937).

Ein Brief des Niederbrechener Pfarrers Mainhart an Bürgermeister van Geldern von 1937 belegt, dass auf mündliche Zusagen seitens der Behörde kein Verlass ist. Erstmals ist für den Pfingstritt eine schriftliche Genehmigung durch die Ortspolizeibehörde notwendig.

Der Pfingstritt mit seinem überzeugenden Bekenntnis zu Kirche und Glaube muss den Nazis ein Dorn im Auge gewesen sein. Pfarrer Schlitt (damals Kaplan in Niederbrechen) berichtet 1973: „Dass der Pfingstritt … immer mehr zur Demonstration wurde, lag an den Zeitverhältnissen. Je mehr sich das Dritte Reich als nichtchristlich und antichristlich entpuppte, desto mehr hatten die gläubigen Bauern das Bedürfnis, ihre Treue zur Kirche zu zeigen und ihren christlichen Glauben zu bekennen. …  Kein Wunder, dass die Nazis vor Wut kochten! Nachdem der Ritt fünfmal stattgefunden hatte, wurde er 1938 von der Geheimen Staatspolizei verboten.“ (Quelle: Inform vom 29.05.1980)

Mit Schreiben des Landrats in Limburg vom 25.04.1938 wird die Prozession zur Berger Kirche verboten. Alle Eingaben und Verhandlungen des Bischöflichen Ordinariats in Limburg, das Verbot zurückzunehmen, bleiben ohne Erfolg. Mit Schreiben vom 04.06.1938 wird das Verbot bestätigt.

Der Wortlaut der drei nachfolgenden Dokumente sind dem Gemeindemitteilungsblatt von Brechen „Inform“ vom 27.05.1993 (ebenso „Inform“ vom 28.05.1998) entnommen; das Schreiben vom 10.05.1938 ist im Original wesentlich umfangreicher (alle drei Scheiben sind im Original im Pfarrarchiv Niederbrechen vorhanden).

Der Landrat                                                                                 Limburg, den 25. April 1938

An das Bischöfl. Ordinariat in Limburg

L 2080/37

Wie ich festgestellt habe, findet seit einigen Jahren an Pfingsten von dem Ort Niederbrechen bis zur Berger Kirche ein sogenannter Pfingstritt statt. Ich mache erg. darauf aufmerksam, daß nach der VO vom 07.12.1934 sämtliche öffentliche Veranstaltungen und Kundgebungen kirchlich religiösen Charakters verboten sind.

Ausgenommen sind unter anderem althergebrachte Prozessionen und Wallfahrten. Der fragliche Pfingstritt kann als althergebracht nicht anerkannt werden. Außerdem wird bei dem Pfingstritt die Fernverkehrsstraße Nr. 8 berührt und durch Teilnehmer bzw. Zuschauer der Verkehr auf der genannten Straße behindert bzw. gefährdet.

Ich verbiete daher hiermit die Veranstaltung und ersuche ergebenst, das Weitere zu veranlassen.

i.V. gez. Wolter, Reg.-Referendar

Beglaubigt: Hohl, Staatsangestellter

 

BischöfIl. Ordinariat                                                                  Limburg, den 10. Mai 1938

An den Herrn Landrat des Kreises Limburg

Zu L 2080/37

Wir erhielten Ihr Schreiben vom 25. April d. J. betreffend den Pfingstritt.

Es handelt sich bei diesem kirchlichen Brauch zwar um eine Neuerung, was den Ort angeht, aber andererseits um eine religiöse Sitte, die gerade in Deutschland althergebracht ist, wie es z.B. der Gymricher Ritt im Rheinland oder der Blutritt in Weingarten dartun. Die Reiterprozession zur alten Berger Kirche hat in der Bauernbevölkerung des Goldenen Grundes solchen Widerhall gefunden, daß es bestimmt den beteiligten Ortschaften unverständlich erscheint, in denen auch bei schärfster Prüfung keine Beziehung zum politischen Gebiet entdeckt werden kann.

Der Pfingstritt hat in der Bevölkerung des Goldenen Grundes einen sehr starken Anklang gefunden.

Ein Verbot des Pfingstrittes wird daher von der Bevölkerung des Goldenen Grundes sehr schwer empfunden werden.

Wir bitten deshalb mit Rücksicht auf die vorstehende Darlegung das ergangene Verbot wieder aufzuheben.

Zu einer weiteren mündlichen Behandlung stehen wir zur Verfügung.

B.O.

 

Der Landrat                                                                              Limburg, den 04. Juni 1938

An das BO in Limburg

Sofort!

Auf das dortige Schreiben vom 10. Mai 1938 - Ad. Hum, O.E

3167-, betreffend Pfingstritt in Niederbrechen.

Der Herr Regierungspräsident in Wiesbaden hat das dortige Schreiben vom 10. Mai d. Js. dem Herrn Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten vorgelegt, der entschieden hat, daß eine Aufhebung des Verbotes des Pfingstrittes in Niederbrechen nicht in Betracht käme.

gez. Dr. Uerpmann

Beglaubigt: Kapitain, Staatsangestellte

 

Anstelle des Pfingstritts werden – wie in der Pfarrchronik zu Niederbrechen nachzulesen ist - am Pfingstmontag 1938 und 1939 die Pferde vor der Pfarrkirche in Niederbrechen gesegnet, bis auch dies 1940 verboten wird.

Vom Neubeginn 1946 bis zum letzten Pfingstritt 1968

Am 10.06.1946 findet der erste Pfingstritt nach dem Krieg statt. Hierfür muss erst von der amerikanischen Militärregierung eine Genehmigung eingeholt werden, die am 10.05.1946 erteilt und vom Niederbrechener Bürgermeister mit einer ortpolizeilichen Genehmigung an den Pfarrer weitergeleitet wird:

In der Niederbrechener Pfarrchronik ist 1946 zu lesen: „Nach mehrjähriger Unterbrechung (Verbot durch die NSDAP) fand am Pfingstmontag erstmalig wieder die Reiterprozession nach der Bergerkirche statt. Trotz Regenwetters war die Beteiligung der Bauern aus dem Goldenen Grund und dem Lahngebiet ziemlich stark; 500 - 600 Reiter gaben dem Sanctissiunum, von Domkapitular Dr. Rauch getragen, das Geleite und empfingen den Segen der Kirche. Die Festpredigt hielt Pfr. Dirichs, Winkel / Rhg.“

Am 17.05.1948 nimmt Ferdinand Dirichs (am 29.09.1947 zum Bischof ernannt) am Pfingstritt teil – das erste und letzte Mal als Bischof, da er am 27.12.1948 auf der Autobahn bei Idstein tödlich verunglückt.

Ein Rundschreiben zum Pfingstritt am 21.05.1956 zeigt die professionelle Vorbereitung und Durchführung der Reiterprozession:

Katholisches Landvolk / Katholische Landjugend / Diözese Limburg

Limburg, den 9.5.56

 

An die Hochwürdigen Herren Pfarrer,

die Verantwortlichen des Katholischen Landvolkes,

der Katholischen Land-Jugendbewegung der Diözese Limburg

 

Betr.: Pfingstritt zur Berger Kirche am Pfingstmontag, 21. Mai 1956

 

1 . Die Prozession beginnt um 14.00 Uhr von der Pfarrkirche Niederbrechen aus. Bis 13.45 Uhr müssen die Reiter ihre Plätze eingenommen haben.

2. Die Verantwortlichen des Katholischen Landvolkes und der Katholischen Landjugend sammeln in den einzelnen Dörfern die Teilnehmer und reiten in der Prozession links an der Spitze ihrer Gruppe.

3. Banner und Fahnen der Gemeinden und der Katholischen Jugend mitbringen. Die Banner reiten an der Spitze der örtlichen Gruppe.

4. Die Bannerträger mögen bitte weißes Hemd und schwarze (dunkle) Hose tragen.

5. Hengste dürfen wegen der damit verbundenen Gefahr nicht mitreiten.

6. Die Musikkapelle spielt jeweils eine Strophe vor, dann singen alle nach. Bitte gut mitbeten und gut mitsingen.

7. Bitte den Anweisungen der bestellten Ordner folgen!!

8. Die Kollekte ist für die Deckung der Unkosten bestimmt.

9. Falls ein Schaden entstehen sollte, bitte sofortige Meldung an Domvikar Stein.

10. Die Prozessionstexte werden beim Eintreffen in Niederbrechen an die Reiter verteilt.

Mit dem Erwerb des Textes ist die Haftpflichtversicherung verbunden. Aus diesem Grunde kosten die Texte: für die Reiter DM -,50; für die Fußpilger DM -,30.

Bitte das Geld schon vorher bereithalten, damit es nachher keine Verzögerung gibt und einheitlich gesungen und gebetet werden kann.

11. Die Fußpilger beachten bitte die Absperrungen, damit kein Schade: entstehen kann. Sie mögen durch ihre gute Haltung am Gelingen des Pfingstrittes teilnehmen.

12. Die Prozession zieht geschlossen nach Niederbrechen zurück und löst sich dort erst auf.

13. Falls der Pfingstritt wegen des schlechten Wetters oder anderer Umstände ausfallen sollte, erhalten einzelnen Gemeinden telefonisch Nachricht.

Wenn also kein Bescheid gegeben wird, dann findet der Pfingstritt statt.

 

Mit guten Wünschen und Grüßen!

Für das Katholische Landvolk

Für die Katholische Land Jugendbewegung

gez.: Domvikar Stein / i.A. Unterschrift Staudt

 

Der letzte Pfingstritt am 03.06.1968: Der sich über viele Jahre hinstreckende Strukturwandel in der Landwirtschaft bringt es mit sich, dass die Zahl der Reiter immer kleiner wird. Die übrig gebliebenen Landwirte haben keine Pferde mehr, da Traktoren an ihre Stelle getreten sind. Gibt es 1949 in Niederbrechen 143 Pferde, sind es 1965 noch 36 (und 1970 keine mehr); in Oberbrechen sind es um 1945 rund 100 Pferde und 1965 nur noch etwa 25. Die Verantwortlichen der Landvolk-Bewegung entscheiden sich, die Reiterprozession nicht mehr fortzusetzen, da es keinen Sinn mache, eine „entkernte Sache“ fortzusetzen. Bischof Kempf empfiehlt, die Wallfahrtstradition zur Berger Kirche in veränderter Form fortzusetzen, zum Beispiel mit Bitt-Sonntagen.

Übersicht der Pfingstritte

zusammengestellt aus Angaben der Presseartikel bzw. Pfarrchroniken

Jahr

Zahl Pferde (ca.)

Träger des

Allerheiligsten

Prediger

Segnung /

Pferdesegnung durch

1933

270

Dekan Kilburg, Niederbrechen (zu Fuß)

Subregens Dirichs

Domkapitular Rauch

1934

500

Domkapitular Rauch

Subregens Dirichs

Domkapitular Rauch

1935

600

 

Stadtpfarrer Wolf, Wiesbaden

 

1936

500

 

Regens Pappert

 

1937

 

 

Pfarrer Wohlrabe, Dombach

Domkapitular Rauch

 

 

 

 

 

1946

500

Domkapitular Rauch

Pfarrer Dirichs, Winkel

 

1947

600

Domkapitular Rauch

Pfarrer Weidmann, Niederbrechen

 

1948

 

Domkapitular Rauch

Bischof Dirichs

Domkapitular Rauch

1949

 

 

 

 

1950

500

Diözesanpräses Eckert

Diözesanpräses Eckert

Bischof Kempf

1951

400

Pfarrer Kunz, Oberbrechen

Domvikar Stein

Regens Pappert

1952

400

Pfarrer Kunz, Oberbrechen

Dekan Wohlrabe, Eltville

Regens Pappert

1953

500

 

Prälat Dr. Schulte, Paderborn

Bischof Kempf

1954

400

Regens Pappert

Pfarrer Ebert

 

1955

350

Regens Pappert

Jugendpfarrer Wollmann, Erzdiözese Freiburg

Weihbischof Kampe

1956

300

Domkapitular Löhr

Pfarrer Renker, Jugendgefängnis Rockenberg

Pfarrer Kunz, Oberbrechen

1957

370

Ordinariatsrat Putzer

Prälat Dr. Schulte, Paderborn

 

1958

250

Domvikar Stein

Diözesansekretär Staudt

Bischof Kempf

1959

 

 

 

 

1960

200

Domvikar Stein

Pfarrer Bruckner, Lindenholzhausen

Domvikar Stein

1961

200

Domvikar Stein

Landjugendkaplan Bardenhewer

 

1962

200

 

Studienrat Kuch, Hadamar

Weihbischof Kampe

1963

200

Pfarrer Schmidt, Oberbrechen

Stadtpfarrer Eckert, Frankfurt

Kaplan Röhr

1964

160

Pfarrer Homm, Villmar

Domvikar Stein

Bischof Kempf

1965

 

Pfarrer Bernhard, Niederbrechen

Subregens Niederberger

Pfarrer Bernhard, Niederbrechen

1966

 

 

Diözesan-Caritasdirektor Frank

Bischof Kempf

1967

80

 

Predigt entfällt w/plötzlichem Gewitter

Pfarrer Störk, Dehrn

1968

80

 

Domvikar Stein

Bischof Kempf, Prälat Eckert

Aus mündlichen Überlieferungen und Erinnerungen

(Quelle: Protokolle der Gesprächskreise des Gemeindearchivs Brechen: Niederbrechen vom 14.02.2005, Werschau vom 21.08.2007 und Oberbrechen vom 07.04.2008)

„Zur Vorbereitung des Pfingstritts wurden die Pferde schon am Pfingstsonntag gewaschen, ebenso das Geschirr. Die Hufe wurden gewachst bzw. eingefettet, ebenso die Beschläge. Die Pferde erhielten besonders schön gestickte Mückennetze für die Ohren, außerdem wurde oft ein Blumenstrauß (z.B. Pfingstrosen) hinter den Ohren oder am Halfter befestigt.

Wer keinen Sattel besaß, der legte eine Pferdedecke auf; dem wurden aber im Laufe des Nachmittags die Beine immer länger.“

 

„Die Pferde selbst wurden normalerweise vom jeweiligen Bauern selbst geritten oder von Interessenten. Die Jungen durften schon im Schulalter in Begleitung von Erwachsenen mit reiten. Für die Kinder war das ein ganz besonderer Tag und sie saßen stolz auf ihren Pferden.“

 

„Treffpunkt für die Werschauer Bauern war zumeist gegen 12 Uhr die Pfarrkirche Werschau. Es beteiligten sich in der Regel 10 bis 15 Reiter, einige Mal ritt auch der Pfarrer oder der Lehrer mit. Der Werschauer Pfarrer Gelhard hatte für die Werschauer eine eigene Standarte angeschafft, außerdem wurden auch andere Fahnen von Werschauer Reitern mitgeführt.“

 

„Sammelplatz der Oberbrechener Reiter war der Denkmalsplatz. Es sind nicht alle Bauern mit geritten, so ungefähr 30. Mit dem Bauernbanner vorneweg ritten sie auf der Bundesstraße nach Niederbrechen. Auch die Reiter aus Selters, Eisenbach, Bad Camberg und Würges kamen durch Oberbrechen am Denkmalsplatz vorbei. Die Geistlichen Pfarrer Kunz, Kaplan Pabst, Pfarrer Brinkmann oder Pfarrer Schmidt sind mitgeritten.“

 

„Die ganze Straße zwischen Ziegelei und Bahnübergang sowie Böschungen und Hängen entlang des Weges zur Berger Kirche waren gesäumt von vielen Zuschauern aus der ganzen Umgebung, die auf die Reiter warteten. Besonders für die Kinder war es ein unvergessliches Ereignis.“

 

„Die Prozession begann um 14 Uhr mit Glockengeläut. Die Werschauer Reiter waren an der Spitze des Zuges, das Allerheiligste mit den Niederbrechener Reitern war in der Mitte. Um den Geistlichen, der das Allerheiligste trug, waren die Messdiener aus Niederbrechen mit Schellen und teilweise Fahnen. Der Priester mit dem Allerheiligsten saß auch zu Pferd, wobei meist ein Bauer das Pferd zu leiten hatte. In guter Erinnerung blieb der Initiator Ferdinand Dirichs, der 1948 als Bischof mit ritt. Auch Bischof Kempf war viele Male dabei, saß allerdings mit anderer Prominenz in einer Kutsche.“

 

„Die Reitergruppen ordneten sich in Zweierreihen in die Prozession ein und begannen ihre Lieder zu singen. Die Lieder wurden von den dazu beauftragten Vorsängern angestimmt und in der angegebenen Reihenfolge mit kurzen Pausen zwischen den Strophen zu Ende gesungen. Nach dem Krieg wurde die Prozession auch musikalisch begleitet; die Feuerwehrkapelle saß auf einem Wagen und unterstützte den Gesang mit Musik; in guter Erinnerung blieb dabei Lehrer Hans Kremser als Dirigent.“

 

„An der Spitze jeder örtlichen Gruppe ritt der Banner- oder Fahnenträger mit zwei Begleitern: oft trugen alle drei Fahnen mit sich. Mindestens die dritte Reihe der Reiter ritt in weißem Hemd und dunkler Hose. Eine Kopfbedeckung wurde während der Prozession nicht getragen.“

 

„Teilweise dauerte es eine dreiviertel Stunde, bis alle Pferde vorbeigeritten waren. Die ersten Pferde waren schon auf Bergen, während die letzten über die Eisenbahnbrücke ritten. Ende der 40er Jahre sollen wohl 600 bis 700 Pferde teilgenommen haben; Hengste waren als Prozessionspferde nicht zugelassen.“

 

„Die Prozessionsstrecke führte die Langgasse (heute Rathausstraße) hinunter, über die B8, die Bahnhofstraße, über die Eisenbahnbrücke bis zur Dauborner Straße Richtung Lindenholzhausen und dort den steilen Weg zur Berger Kirche hoch (ganz früher war der Aufritt wohl über den heutigen Weg zum Friedhof der Berger Kirche).“

 

„Im Bereich des Friedhofseingangs war ein Altar aufgestellt. Es war derselbe Altar, der an Fronleichnam gegenüber dem Schwesternhaus (heutiges Rathaus) stand.“

 

„Die Pferde standen im Bereich des heutigen Parkplatzes, was nicht immer ungefährlich war, denn manche Pferde wurden unruhig und scheuten. Die Zuschauer verteilten sich auf dem ganzen Friedhof, um an der Andacht und Predigt teilzunehmen. Die Predigt dauerte etwa eine halbe Stunde und war darauf ausgerichtet, das Landvolk geistig zu stärken. Im Anschluss an die Andacht wurden die Pferde mit ihren Reitern gesegnet.“

 

„Die auswärtigen Reiter besuchten häufig ihre Niederbrechener Freunde, während die Reiter aus dem Westerwald wegen des langen Rückwegs gleich zurückritten.“

 

„Die Brückenmühle am Bahnübergang Niederbrechen war Anlaufstelle für viele Pilger und Reiter. Stühle und Tische standen vor der Gastwirtschaft, und viele Reiter und Zuschauer machten dort noch einmal Rast.“

 

„Auch in den Oberbrechener Gaststätten machten die Reiter (viele aus Bad Camberg und Würges) Rast, so auch in der Gastwirtschaft „Nassauer Hof“. Die Pferde wurden im Hof des Anwesens von Josef Arthen I angebunden und versorgt, während sich die Reiter in der Wirtschaft stärkten.“

 

„Der gesellschaftliche Wandel der 60er Jahre brachte es mit sich, dass es immer weniger Pferde gab. Ein alter Schmied hatte schon in den 50er prophezeit, dass sein Sohn keine Pferde mehr beschlagen würde, was von seinen Zeitgenossen nicht nachvollzogen werden konnte. Die Pferde der Pfingstritte in den 1960er Jahren kamen auch von Reitervereinen; auch Frauen waren da zugelassen. Der ursprünglich religiöse und als Zeichen der Glaubenstreue ausgerichtete Prozessionsgedanke wurde zusehends zu einer Prestigesache, ja Folkloreveranstaltung.“

Auf der Suche nach neuen Formen des Pfingstritts - Pfingstandachten

Die Anregung von Bischof Kempf, die Wallfahrt in veränderter Form fortzusetzen, wird bereits 1969 aufgegriffen. In einer Besprechung vom 03.05.1969 beschließen Pfarrer Reich (Werschau), Pfarrer Schmidt (Oberbrechen), Kaplan Merz (für den im Urlaub weilenden Pfarrer Bernhard, Niederbrechen) sowie Pfarrer Hörle (Villmar) anstelle des Pfingstritts am Sonntag nach Christi Himmelfahrt, erstmals am 18.05.1969, ein Bittamt an der Berger Kirche abzuhalten. Rund 150 Gläubige aus der Umgebung kommen; Zelebrant ist Pfarrer Reich, die Predigt hält Pfarrer Schmidt. Wegen des schlechten Wetters wird der Gottesdienst in der Berger Kirche gehalten.

Von 1970 bis 1980 finden mehr oder weniger regelmäßig Bittgottesdienste - gewöhnlich am letzten Sonntag im Mai um 14 Uhr - an der Berger Kirche statt. Von nah und fern kommen viele Gläubige, um die Gottesmutter zu verehren und ihre Fürbitte in persönlichen und weltweiten Anliegen zu erbitten. 1972 findet am Pfingstmontag eine Wallfahrt der Dekanate Niederbrechen und Villmar zur Berger statt. 1973 wird anlässlich der 40. Wiederkehr des Pfingstrittes zu einem Bit- und Wallfahrtsgottesdienst zur Berger Kirche eingeladen; die Predigt hält Bezirksdekan Alois Staudt.

Für den 03.06.1974 lädt der Werschauer Pfarrer Reich zu einer Bitt- und Marienfeier ein: „Der Pfingstritt nach Bergen, der ehemals weit über die Grenzen des Goldenen Grundes hinaus bekannt war, wurde durch eine Bittandacht am Sonntag, nach Christi Himmelfahrt ersetzt.

Das Anliegen der Veranstaltung war: Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer der Welt. Zugleich sollte es auch ein Bekenntnis zu unserer himmlischen Mutter sein. daher entschloss man sich, den Brauch eines überpfarrlichen Bekenntnisgottesdienstes – auch ohne Reiterprozession – weiter beizubehalten.

Deshalb wird auch in diesem Jahr das sinnvolle Herkommen in einer gemeinsamen Bitt- und Marienfeier an dem altehrwürdigen Muttergottesheiligtum auf Bergen gepflegt. Über die Grenzen der Pfarrei hinaus wollen wir Gott, unserem Schöpfer, der uns liebt wie ein Vater seine Kinder bekennen, ihm Treue geloben und mit seiner Hilfe der Erde ein neues Antlitz verleihen

Ab Anfang der 1980er Jahre findet auf Bergen jeweils am Pfingstmontag eine Bittandacht statt, wobei die Bezeichnungen hierzu variieren: Pfingstandacht, Pfingst- und Maiandacht, Pfingst- und Marienandacht, Pfingstmontagsandacht, Andacht der Mutter Gottes und zur Erinnerung an den Pfingstritt, Andacht mit marianischem Gepräge usw. Teilweise kommen prominente Prediger oder Zelebranten zur Feier der Pfingstandacht, u.a. Weihbischof Walther Kampe (27.05.1985), Bischof Franz Kamphaus (04.06.1990), Domkapitular Dr. Christian Meurer (31.05.1993), Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst (13.06.2011), Weihbischof Dr. Thomas Löhr (21.05.2018). Die Resonanz ist immer sehr hoch, 1999 werden beispielsweise über 300 Teilnehmer/innen gezählt.

Im Rahmen der am 08.06.1987 stattfindenden Pfingstandacht wird die von Marie-Therese Höhler (Villmar) aus Sandstein geschaffene moderne Schutzmantelmadonna eingesegnet; der Kirchenchor Werschau wirkt bei der Veranstaltung mit. 1996 und 2008 sind die Andachten mit Fotoausstellungen zur Geschichte des Pfingstrittes verbunden.

(Fotos: Gemeindearchiv Brechen, Fotoarchiv Ehrlich)

Quelle: Arbeitskreis Historisches Brechen, 27.04.2022, -GB-

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