Gustave Stern

Der Dirigent., Pianist, Gesangs- und Universitätslehrer Gustav Stern war über 25 Jahre lang der musikalische Chef - betraut mit den Aufgaben, wie sie m Deutschland ein Generalmusikdirektor wahrzunehmen hat - von Seattle, der Hauptstadt des Staates Washington, der bedeutendsten Stadt der USA westlich von Chicago und nördlich von San Francisco, vor 50 Jahren roch ein Dorf, heute eine Halbmillionenstadt voll pulsierenden Lebens. Industrie-, Handels- und Kulturzentrum im Nordosten der USA. Mit Oberbrechen ist Gustav Stern, der 1901 in Duisburg geboren wurde, durch Herkunft und eigenes Erleben eng verbunden.

Oberbrechen war die Heimat seines Vaters, war Jahrhunderte lang Geburts- und Wirkungsstätte seiner Vorfahren; Oberbrechen war während seiner Kindheit und seiner Studienzeit regelmäßiges Ferienziel. war der Ort unbeschwerten frühen Glücks.

Die Erinnerung an diese Tage in Oberbrechen, an den Umgang mit Verwandten und Freunden, an das Erlebnis der Landschaft des Goldenen Grundes, ist für Gustav Stern bis heute lebendig geblieben Sie blieb auch wach in den schweren Jahren der Emigration nach der Verbannung aus seiner Vaterstadt, in der für den kaum Zwanzigjährigen die musikalisch-künstlerische und gesangspädagogische Karriere schon während seines Studiums in Düsseldorf, Köln und Leipzig mit Aufsehen erregenden Erfolge als Orchester- und Chordirigent und als Pianist begonnen und sich konsequent fortgesetzt hatte. An Kostproben seiner pianistischen Kunst, die bereits im Vorschulalter erkennbar geworden war, können sich manche Oberbrechener, mit denen er seinerzeit freundschaftlich verbunden war, heute noch erinnern.

In Paris und in Südfrankreich, wohin Stern mit seiner Familie zunächst geflüchtet war, konnte er nur gelegentlich in seinem Metier tätig sein. Auch als er mit seinen Angehörigen durch Vermittlung seines Onkels (des 1887 in Oberbrechen geborenen Hermann Stern [Link auf Hermann Stern], der 1903 nach den USA ausgewandert, nach zäher Arbeit Chef eines großen Handelshauses geworden war und großen politischen Einfluss im Staate Nord Dakota. gewonnen hatte) 1942 in die USA einreisen konnte, blieb ihm vorläufig der Weg zu künstlerischer Tätigkeit versperrt. 1945 war es endlich so weit. Ende 1974 schrieb Gustav Stern über sich selbst "Im Jahre 1945 zogen wir nach Seattle, Washington, wo ich endlich wieder einen Beruf ausüben konnte. Ich unterrichtete an der hiesigen katholischen Universität, dirigierte und leitete Opern und Operetten und war bis 1971 Musikdirektor der Stadt Seattle, produzierte und dirigierte die Broadway-Musicals dieser Jahre mit berühmten Künstlern. Auch gab ich private Gesangstunden und manche meiner früheren Schüler und Schülerinnen singen an weltbekannten Bühnen. Jetzt, mit 73 Jahren, habe ich mich vom öffentlichen Leben zurückgezogen."

Quelle: Inform. Informationsblatt der Gemeinde Oberbrechen 03.09.1976, S. 6: Konzert des Musikvereins Oberbrechen

 

 

Bericht zu seinem Konzert am 04.09.1976 in Oberbrechen

Mit den Ohren wackeln kann der 75-jährige Generalmusikdirektor, Dirigent, Pianist und Universitätslehrer Gustave Stern heule noch so gut wie in seiner Kindheit, während der er oft in Oberbrechen weilte. Doch diese Kunst zu zeigen wegen war der in Seattle (USA) lebende Virtuose nicht nach 43 Jahren erstmals wieder in die Heimat seiner Väter gekommen. Der von Ludwig Schneider geleitete Musikverein Oberbrechen rechnete sich es als Ehre und Auszeichnung an, Gustave Stern den Taktstock für ein Gastspiel zu überlassen

Gustave Stern, der als Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes 1933 aus seiner Heimat verjagt worden war, hatte vor drei Jahren im Zusammenhang mit der Herausgabe der Oberbrechener Dorfgeschichte wieder Kontakt mit den Menschen geknüpft, die er damals hatte verlassen müssen. 1927 war er letztmals in Oberbrechen zu Besuch gewesen. „Als Jupp Kramm mir geschrieben hat, wir wollen vergessen was damals war, da habe ich nicht mehr lange überlegt, nach Deutschland zu kommen, auch wenn viele Menschen dieses Volkes, aus dem Schiller und Goethe hervorgegangen sind, vor Jahrzehnten einem Mann wie Hitler geglaubt haben", sagte Gustave Stern.

Bürgermeister Kramm bedauerte im Namen seiner Mitbürger die Gräueltaten, die den Juden in Deutschland während des Dritten Reiches widerfahren sind. Kramm richtete an Gustave Stern und dessen Gattin Gertrud die Bitte, ihren Verwandten und Freunden in Amerika vom heutigen Deutschland zu berichten.

Als Erinnerung an den ersten Deutschlandbesuch nach 43 Jahren überreichte der Bürgermeister ein Bild von Oberbrechen, in dem Sterns Großeltern gelebt haben.

Mit der Ouvertüre "Eine Nacht in Venedig" von Johann Strauß eröffnete Gustave Stern das Konzert in der vollbesetzten Aula der Grund- und Hauptschule, in dem der Gast aus Amerika sein großes Können als Dirigent und Pianist demonstrierte. "Ich versuche mich in einer Sprache auszudrücken, die jeder versteht; und das ist die Musik", hatte Stern in seiner Grußansprache angekündigt.

Für die Musik, der er an diesem Abend als temperamentvoller Dirigent aus dem Orchester wie auch als Klavierspieler aus dem Instrument herausholte, erntete Stern langanhaltenden Beifall. Werke von Strauß, Beethoven, Chopin, Leoncavallo, Paul Lincke, Gershwin und anderer Komponisten sowie Ausschnitte aus dem Musical "My Fair Lady" begeisterten die Zuhörer und Sterns alte Bekannte, die später im Restaurant der Emstalhalle noch einige Stunden zusammensaßen und alle Erinnerungen auffrischten.

Quelle: Inform. Informationsblatt der Gemeinde Oberbrechen 17.09.1976, S. 3: Gustave Stern imponierte als Meisterdirigent und Musiker. Gast aus den USA gebrauchte die Völker verbindende Sprache

 

Bericht zu seinem Aufenthalt am 06. und 07.09.1989 in Oberbrechen

Zum zweiten Male besuchte der 88jährige Gustave Stern zusammen mit seiner Lebensgefährtin Marcia Smith die Heimat seiner Vorfahren in Oberbrechen. Er vertiefte damit die Verbindung, die seit 13 Jahren von Bürgermeister a.D. Kramm und Eugen Caspary geknüpft wurde.

An dem Empfang im Gemeinschaftsraum der Feuerwehr in Oberbrechen waren auch der MGV „Eintracht“, der Kirchenchor „Cäcilia“ sowie die Feuerwehrkapelle Oberbrechen beteiligt.

Namens der Gemeinde begrüßte der I. Beigeordnete Otto Czech die Gäste.

 

Gustave Stern in der Heimat seiner Väter

Obwohl er vor 18 Jahren nach dem Verlassen Deutschlands im Jahre 1988 schon einmal in der „alten Heimat“ war, war er doch überwältigt von der herzlichen Gastfreundschaft, die ihm hier entgegenschlug.

Er konnte den Wandel in Deutschland gegenüber den jüdischen Mitbürgern und somit auch ihm vorerst nicht glauben Seine Kinder rieten ihm von der Reise nach hier - wie damals - ab. Aber mit seinem „Heimweh“ und dem Glauben an das Gute ließ er sich von der vielleicht letzten Reise in die alte Heimat im Alter von 88 Jahren nicht abhalten,

Was Gustave Stern und seine Begleiterin während ihres Aufenthaltes in Deutschland erlebten, war, wie er sagte, „unglaublich“. In Oberbrechen kamen ihm wieder die Erinnerungen an seine hier oft verlebte Jugendzeit auf. Er wusste vieles aus dieser Zeit zu erzählen, auch, dass man hier nicht sagt „der Bach“, sondern „die Bach“, in die er auch einmal gefallen war.

Das Haus, in dem seine Vorfahren und zuletzt bis zu seiner Verschleppung ins KZ Moses Stern gelebt hatte, die Wohnhäuser der anderen jüdischen Familien und so manche mehr

„Es ist mein größtes Erlebnis meines langen Lebens“, sagte er zu dem Chronisten, in deren Familie er sich wohlfühlte und am Klavier wie zu Hause spielte.

Seine nette und immer fröhliche Begleiterin, Marcia Smith, nicht nur am Klavier, erstmals hier in Deutschland (ihre Vorfahren stammen aus dem Elsass), kam aus dem Staunen nicht heraus über die familiäre Atmosphäre, in die sie als Fremde gekommen war. Den Rhein (welcher Besucher aus Amerika will nicht an den Rhein?), aber auch die anderen Gegenden um Oberbrechen, den Friedhof in Weyer, wo Vorfahren von Gustave Stern beerdigt sind, das Konzert in Niederselters [Kammermusikabend am Vortag im Gasthaus Lehn, wo er und Frau Smith am Klavier mitwirken] mit der Familie Brunner aus Frankfurt u.a.m., waren tägliche Höhe-punkte.

Eine Weinprobe von Eugen Caspary mit Mutter Hedwig im Hause des Chronisten, mit Freund Eugen Caspary, dem Ehepaar Schoppet, ließ Gäste und Gastgeber erneut näher kommen.

Erneut erfuhr der Chronist, dass ein „Zusammenfinden“ von Menschen doch jedem viel, ja sehr viel gibt. „Mein Bruder“ nannte Gustave Stern den Chronisten, als er von Duisburg seine Heimreise nach Seattle antrat. Dort erfuhren sie in einer Woche, was das „liberale“ Deutschland (ein Ausspruch von Gustave Stern) an Gastfreundschaft zu bieten hat. Von ihr waren sie erneut überwältigt. Von Oberbürgermeister Krings bis zur Gesellschaft Christlich-Jüdische Zusammenarbeit hatten sie täglich viele Programmpunkte zu erledigen. Um alles verarbeiten zu können, wird er noch lange Zeit zu Hause brauchen.

Der Chronist freut sich, Gustave Stern und Marcia Smith ihren Aufenthalt in Oberbrechen mit nachhaltigen Eindrücken über die Menschlichkeit in unserem Lande ermöglichen zu können. In Dankbarkeit grüßt er, im Namen vieler Freunde.

Quelle: Inform. Informationsblatt der Gemeinde Brechen, 21.09.1989: Besuch aus Amerika in Oberbrechen

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