Vor 85 Jahren, vom 4. bis 7. Juli 1925, fand in Niederbrechen der 6. nassauische Bauerntag statt, der als „Bauernfest" bei den älteren Niederbrechener in lebendiger Erinnerung geblieben ist (ähnlich der 1935 stattfindenden Passionsspiele). Dieses Fest „von solcher Großartigkeit und Ausdehnung, wie es hier und in der weiten Umgebung noch nicht erlebt worden ist." - so das Heimatbuch zu Niederbrechen von 1925 - ist Gegenstand einer Ausstellung, die das Gemeindearchiv Brechen zusammengestellt hat und in der Niederbrechener Filiale der Kreissparkasse Limburg präsentiert.
Aus Unterlagen des Gemeindearchivs (Bildarchiv, Festbuch zum Bauerntag, Chroniken und Presseartikel des Nassauer Boten) wurde eine interessante Ausstellung erstellt, die einen lebendigen Eindruck der damaligen Zeit widerspiegelt. Kopien aus dem damals erstellten Festbuch geben Programm und Ablauf dieses einmaligen Ereignisses wieder, Fotos zum Festumzug dokumentieren eindrucksvoll die Größe der Veranstaltung. Schätzungen zufolge kamen wohl rund 50.000 Menschen nach Niederbrechen; im alten Heimatbuch von Niederbrechen ist zu lesen: „Sonderzüge mussten eingestellt werden, um den Menschenstrom zu bewältigen. Personen- und Lastautos brachten von allen Seiten noch ungezählte Scharen an den Ort der Veranstaltung."
Das Bauernfest fand auf den Wiesen links und rechts des Emsbaches im Bereich der Nächtsau (heutiger Festplatz und Wiesen zwischen Emsbach und Bahngleise) statt. Hier standen ein riesiges Festzelt sowie Buden und Karussells und war genügend Platz für eine umfangreiche Maschinenausstellung und Tierschau. Wegen einer unmittelbar vorher festgestellten Maul- und Klauenseuche beschränkte sich die Tierschau nur auf Pferde, die aber „in so großer Zahl aufgetrieben waren, dass die Preisverleihung eine schwierige Aufgabe war", so das Heimatbuch.
Das Großereignis wurde am Samstagabend mit einem Kommers im Festzelt eröffnet, zu der die örtlichen und bäuerlichen Honoratioren ihre Begrüßungen entrichteten. Neben Chorbeiträgen stand die Aufführung der „Nassauischen Spinnstube", einem Singspiel von Rudolf Dietz, durch die Bauernschaft Dauborn im Vordergrund.
Am Sonntagvormittag fand die Vertreterversammlung der Bezirksbauernschaft mit verschiedenen Reden und Vorträgen zur Situation der Landwirtschaft statt, u.a. des Reichstagsabgeordneten Hepp, des Landesrates Schlüter und des Vertreters der Landwirtschaftskammer Hochratel.
Die Ausstellung landwirtschaftlicher Maschinen, war laut Angaben des Nassauer Boten vom 06.07.1925 „sehr gut beschickt und auch besucht"; „an den Vorführungen sah man, daß die bedeutend vorgeschrittene Technik dem Landwirt seine Arbeit nach Möglichkeit zu erleichtern sich zum Grundsatze gemacht hat."
Der Glanzpunkt des ganzen Festes war aber der Festzug, der um 13 Uhr in der Bahnhofstraße Aufstellung nahm und ab 14 Uhr mit über 32 Motivwagen und verschiedenen Fußgruppen durch die mit Fahnen und landwirtschaftlichen Emblemen festlich geschmückten Straßen der Gemeinde zum Festplatz zog. Die Motivwagen, die von Handwerkergruppen und den Ortsbauernschaften der umliegenden Gemeinden gestellt wurden, stellten z.B. Flachsbearbeitung, Brennerei, Schäferei, Dorfschmiede, Ernte, Alt-Niederbrechen, Weinbau etc. dar. Der Nassauer Bote schrieb hierzu: „Am Nachmittage fand ein wohl gelungener imposanter Festzug durch die Straßen Niederbrechens statt. Alle Sparten der Landwirtschaft, Weinbau usw. waren vertreten, dazu die altertümlich anmutenden Kostüme der Reiter und die farbenfrohen Kleider der Festzugteilnehmer, kurz, ein wirklich schöner Festzug. Auch die Ortsbauernschaft war mit einem schön geschmückten Wagen (ein Bauernhaus aus alter Zeit) beteiligt. Der Verkehr vor und nach dem Festzug war direkt lebensgefährlich. Nur mit Mühe konnte man sich einen Weg durch die ungeheure Menschenmenge bahnen. Auf dem Festplatze entwickelte sich nach dem Festzug ein Volksfest wie es in diesem Orte wohl noch nicht gesehen worden war. Zelt reihte sich an Zelt, Glücksbuden, Karussells usw. fehlten ebenfalls nicht."
Bilder des Festzuges sind Teil der Ausstellung in der Kreissparkasse und zeigen eindrucksvoll Größe und Buntheit dieses „Hessentags" der Vergangenheit.
Interessant sind noch zwei Notizen in den Pfarrchroniken von Niederbrechen und Werschau, die natürlich ebenfalls von diesem einmaligen Ereignis berichten. So erwähnt die Werschauer Pfarrchronik das Bauernfest im Zusammenhang mit der Anschaffung von zwei neuen Glocken, die aufgrund privater Sammlungen finanziert wurden: „Am 4. Juli trafen die Glocken am Bahnhof Niederbrechen ein. Sie mußten sofort abgeholt werden, da die Bahn wegen des Bauernfestes in Niederbrechen den Wagen nicht länger stehen lassen konnte." Auch in Niederbrechen wurde 1925 durch private Sammlungen das Geld für die Anschaffung von zwei neuen Glocken zusammengebracht, wobei sich die Ortsbauernschaft mit einer Summe von 300 Mark beteiligte. Dieses Geld war Teil einer Summe, die sie als Vergütung für die Vorbereitung des Bauernfestes von der Bezirksbauernschaft erhalten hatte.
Die Ausstellung kann noch bis Ende Juli 2010 in den Räumen der Kreissparkasse Limburg in Niederbrechen, Obertorstraße 7, zu den normalen Geschäftszeiten besichtigt werden.
Siehe auch Themenbeitrag „6. Nassauische Bauerntag vom 4. bis 7. Juli 1925 in Niederbrechen („Das Bauernfest“)“
(Quelle: Archivkreis Brechen - Pressemitteilung vom 03.07.2010)
Verfasser: Arbeitskreis Historisches Brechen, 07.03.2024, -GB-