Zur Geschichte der Bahnstrecke Limburg – Niedernhausen - Frankfurt

(mit Blickpunkt auf die Geschichte der Gemeinde Brechen)

 

Im Zuge des Baus der Lahntalbahn zwischen Koblenz und Wetzlar wird am 05.07.1862 der rund 26 km lange Streckenabschnitt Nassau – Limburg angeschlossen, am 14.10.1862 der Streckenabschnitt Limburg – Weilburg (über Eschhofen); im gleichen Jahr erhält Limburg einen Bahnhof.

Überlegungen zum Bau einer Eisenbahnstrecke durch den Taunus gibt es bereits seit 1850, aber erst in preußischer Zeit erfolgt mit dem Gesetz vom 25.03.1872 die Genehmigung zum Bau einer Bahnstrecke zwischen Eschhofen und Camberg, die zunächst auf Staatskosten erfolgen soll (1), wovon aber bereits am 08.01.1873 per Gesetz wieder Abstand genommen wird (2).

Letztlich erhält am 24.02.1873 die Hessische Ludwigsbahn, die bereits am 07.08.1872 für den Streckenabschnitt Frankfurt-Höchst bis Camberg eine Konzession erhalten hatte, die Konzession für die Bahnstrecke Eschhofen-Camberg (3 - S. 24).

Da die preußische „Königliche Eisenbahn-Direktion“ in Wiesbaden per königlichem Erlass vom 24.06.1872 (4) bereits mit dem Landerwerb angefangen hatte (und durch diesen Erlass mit umfangreichen Rechten - u.a. auch Enteignungsrechte – ausgestattet war), überlässt die Ludwigsbahn der Königlichen Eisenbahndirektion in Wiesbaden die mit dem Bahnbau einhergehenden Rechtsgeschäfte (Landerwerb) sowie den eigentlichen Bahnbau. D.h. die preußische Eisenbahndirektion führt „als Bevollmächtigte den Bahnbau im Namen und auf Rechnung der Ludwigsbahn durch“ (3 - S. 24).

Der erste Teilabschnitt zwischen Eschhofen und Niederselters wird am 01.02.1875 eröffnet – ab diesem Termin sind Niederbrechen und Oberbrechen Bahnstation.

Anzeige im Kreisgerichtsblatt Limburg vom 27.01.1875 (3 - S. 34).

Wir bringen hiermit zur Kenntnis, daß am 1. d. Mts. Die Bahnstrecke Limburg – Niederselters für den Personen- und Güterverkehr- eröffnet wird und vom genannten Tage ab der nachstehende Fahrplan in Kraft tritt:

 

Vormittags

Nchm.

Abds.

Aus Limburg

7.45

10.35

2.25

6.35

Aus Nieder-Brechen

7.59

10.59

2.49

6.59

Aus Ober-Brechen

8.11

11.11

3.01

7.11

In Nieder-Selters

8.20

11.20

3.10

7.20

 

 

Vrm.

Mttg.

Nchm.

Abds.

Aus Nieder-Selters

8.55

12.00

3.50

8.00

Aus Ober-Brechen

9.10

12.15

4.03

8.09

Aus Nieder-Brechen

9.21

12.26

4.11

8.15

In Limburg

9.40

12.45

4.30

8.30

Sämmtliche Züge führen alle vier Wagen-Klassen.

Mainz, im Januar 1875          Der Verwaltungsrath

 

Der zweite Teilabschnitt zwischen Niederselters und Camberg wird am 15.05.1876 eröffnet, die Teilstrecke bis Idstein am 12.07.1877 und die letzte Teilstrecke bis Frankfurt-Höchst am 15.10.1877. Die Strecke Niedernhausen nach Wiesbaden Hauptbahnhof wird erst am 01.07.1879 in Betrieb genommen (3 - S. 35).

Am 01.04.1897 wird die Hessischen Ludwigsbahn verstaatlicht und die Strecke Limburg – Höchst der preußische Eisenbahndirektion Frankfurt unterstellt (3 - S. 54).

Ab November 1907 wird zwischen Limburg und Camberg ein elektrischer Triebwagen („Akkumulatortriebwagen, Gattung AT 2“) eingesetzt – sozusagen eine erste Vorwegnahme der eigentlichen Elektrifizierung der Bahnstrecke 1986 (3 - S. 58).

Mit dem steigenden Bahnverkehr und den Problemen einer eingleisigen Verkehrsführung erfolgt in den Jahren 1911 bis 1913 der zweigleisige Ausbau der Strecke, wobei die vorausschauende Planung beim Streckenbau 1875/77 hilfreich ist, die Trasse und Unterbau bereits für einen zweigleisigen Betrieb auslegte (3 - S. 67).

Im Zuge der Besetzung der Ruhrgebietsbesetzung durch die Franzosen (23.01.1923) werden am 24.08.1923 auch die Grenzen rechtsrheinischer Brückenköpfe um Mainz und Koblenz nach Westen vorgeschoben, so dass das Gebiet des Goldenen Grundes in französischer Hand ist – und damit auch die Bahnstrecke, die nunmehr komplett in der Regie des französischen Militärs geführt wird („Regiebahn“). Als Teil des Widerstands gegen die französische Besatzung ruht allerdings der Bahnverkehr, was in der Region wiederum zu erheblichen Problemen führt, da viele Arbeitnehmer im Raum Frankfurt/Frankfurt-Höchst beschäftigt sind. Ab 30.11.1923 wird der Bahnbetrieb der Regiebahn wieder aufgenommen, der Fahrpreis ist in französischer Währung zu zahlen, die deutschen Bahnbediensteten stehen im Dienst der Regiebahn und erhalten ihr Gehalt in Franc ausgezahlt, die Bahnuhren werden der französischen Zeitzone angeglichen und eine Stunde zurückgestellt. Mit dem Abzug der Franzosen aus dem Goldenen Grund (September 1924) und aus Limburg (22.10.1924) und der Übergabe des Bahnbetriebs an die deutsche Bahnverwaltung am 15.11.1924, endet auch die „Regiebahn“-Episode. (3 – S. 82ff.).

Zum Ende des 2. Weltkrieges sind Bahnstrecke und Gleisanlagen Ziele von Luftangriffen durch die Alliierten. „Eine Eisenbahnfahrt war mit Lebensgefahr verbunden.“ heißt es in der Niederbrechener Pfarrchronik; der Zugverkehr kommt weitgehend zum Erliegen. In Niederbrechen sterben z.B. bei einem Luftangriff auf die Bahnstation am 20.02.1945 nachmittags drei Personen. Nach der Sprengung der Autobahnbrücke bei Limburg durch die deutsche Wehrmacht in der Nacht auf den 27.03.1945 blockieren Trümmerteile die darunterliegende Lahntalbahn, so dass Eschhofen für längere Zeit die letzte bzw. erste Bahnhaltestation wird. Der erste „Nachkriegslokalverkehr“ zwischen Eschhofen (bis zum Trümmerfeld der Brücke) und Camberg wird durch eine in Niederbrechen stationierte Dampflokomotive ermöglicht, die von den beiden Niederbrechener Lokführer Zwenger und Raas gefahren wird. (3 - S. 93)

Zu einem der wenigen größeren Nachkriegsunfälle auf der Bahnstrecke kommt es am 12.05.1953, als zwischen Oberbrechen und Niederselters die Dampflokomotive 93 742 bei Gleisbauarbeiten in der Kurve "hinter der Haupt am Stein" entgleist, acht Meter tief den Bahndamm hinunterstürzt und samt Messwagen im Emsbach liegen bleibt. Heizer und Zugführer werden schwer verletzt, der Lokomotivführer kann nur noch tot geborgen werden. (3 - S. 100)

Neben den altbewährten Dampflokomotiven kommen auf der Strecke Limburg – Frankfurt ab 1949/1950 bzw. 1952 Triebwagen (3 – S. 98) und ab 1964 Diesellokomotiven (3 – S. 100) zum Einsatz; die endgültige Umstellung auf Dieselloks beginnt 1966/1967, so dass zum Schluss lediglich bei einigen Güterzügen oder Arbeitszügen noch Dampflokomotiven genutzt werden. Der Betrieb mit Dampflokomotiven endet 1972, offiziell am 28.10.1973 mit einer Dampf-Abschiedsfahrt (aber nicht durch den Goldenen Grund) und einem „Tag der offenen Tür“ am Bahnhof Limburg (3 - S. 104).

Mit Beginn des Sommerfahrplans am 26.05.1974 nimmt der Frankfurter Verkehrsverbund (FVV) seinen Betrieb auf, zu dem auch ein Teil der Bahnstrecke Limburg – Frankfurt (bis Niedernhausen) gehört. Am 28.05.1978 wird der Betrieb der S-Bahn Rhein-Main aufgenommen und Niedernhausen Endstation der von Frankfurt kommenden Linie S2.

1982 beginnen die Planungen und 1984 die Baumaßnahmen für eine Elektrifizierung der Strecke Limburg – Niedernhausen. Im Bereich Niederbrechen bzw. Oberbrechen gehen damit eine Reihe von Umbaumaßnahmen und Veränderungen einher, u.a. Abbruch und Erneuerung der Eisenbahnbrücke in Niederbrechen, Ausbau der Ladestraße entlang der Gaststätte Waldesruhe und des Lagers der Firma Möhn in Niederbrechen, Änderungen des zweiten Bahnsteigs in Niederbrechen und Oberbrechen, Bau einer Gleisunterführung am Bahnhof Niederbrechen und einer Fußgängerbrücke als Gleisüberführung am Bahnhof Oberbrechen, Schließung des Bahnübergangs Flachsau, Beseitigung von Stellwerken, Ersetzen des Bahnübergangs an der Berger Kirche durch eine Unterführung (so die damaligen Überlegungen, die nicht umgesetzt werden), Errichtung von Park and Ride-Anlagen an den Bahnhöfen Niederbrechen und Oberbrechen usw.

Die erste Fahrt eines Zugs mit Elektrolokomotive auf der Bahnstrecke Limburg-Niedernhausen erfolgt am 20.09.1986, der um 10:54 Uhr im Bahnhof Niederbrechen mit Musik „und großem Bahnhof“ begrüßt wird.

Am 01.12.1986 werden in Niederbrechen die ersten P+R-Plätze freigegeben; am 26.04.1988 werden dann in Niederbrechen 235 und in Oberbrechen 38 Pendlerparkplätze offiziell ihrer Bestimmung übergeben.

Auf der Bahnstrecke Limburg - Frankfurt werden ab dem 20.03.1995 Doppelstockwagen eingesetzt.
Als Nachfolger des seit 1974 existierenden Frankfurter Verkehrsverbundes (FVV) startet am 28.05.1995 der Rhein-Main-Verkehrsverbund, der auch die Linie Limburg – Niedernhausen umfasst.

 

 

Anmerkungen

(1)(Nr. 7992) Gesetz, betreffend die Erweiterung des Staats-Eisenbahnnetzes, die Vermehrung des Betriebsmaterials der Staatsbahnen, sowie die Ertheilung der Indemnität bezüglich der Verwendung von Ersparnissen bei dem durch Gesetz vom 2. Juli 1859 bewilligten Fonds zum Umbau des Bahnhofes der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn in Berlin. Vom 25. März 1872.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen verordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:
§ 1
Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten ist ermächtigt, für Rechnung des Staates
1) eine Eisenbahn von Tilsit nach Memel mit fester Überbrückung des Memel bei Tilsit mit einem Kostenaufwande von 5.800.00 Thalern,
2) …

5) eine Eisenbahn von Eschhofen nach Camberg mit einem Kostenaufwande von 950.000 Thalernauszuführen, und
6) zur Vermehrung des Betriebsmaterials der Staats-Eisenbahnen den Betrag von 4.250.000 Thalern zu verwenden. Zusammen 27.000.000 Thaler.

Gegeben Berlin, den 25. März 1872
Wilhelm
(Quelle: Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten. 1872, Nr. 19, S. 288-289;)

(2)(Nr. 8090) Gesetz, betreffend die Abstandnahme von der durch das Gesetz vom 25. März 1872 angeordneten Ausführung einer Eisenbahn von Eschhofen nach Camberg für Staatsrechnung. Vom 8. Januar 1873.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages, was folgt:
Einziger Paragraph
Von der durch das Gesetz vom 25. März 1872, betreffend die Erweiterung des Staatseisenbahnnetzes (Gesetz-Samml. Für 1872, S. 288), angeordneten Ausführung einer Eisenbahn von Eschhofen nach Camberg, für Staatsrechnung wird Abstand genommen …
Gegeben Berlin, den 8. Januar 1873
Wilhelm
(Quelle: Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten. 1873, Nr. 2, S. 25;)

(3) Schiemenz, Friedrich: Die Eisenbahngeschichte des Goldenen Grundes, 1978

(4) (Nr. 8061) Allerhöchster Erlaß vom 24. Juni 1872, betreffend den Bau und die künftige Verwaltung der Eisenbahnen von Tilsit nach Memel …, und von Eschhofen nach Camberg, sowie die Anwendung des Expropriationsrechts auf die zur Ausführung dieser Eisenbahnen erforderlichen Grundstücke und des rechts zur vorübergehenden Benutzung fremder Grundstücke.
Auf Ihren Bericht vom 23. Juni d. J. ermächtige Ich Sie, den Bau und die künftige Verwaltung der durch das Gesetz vom 25. März d. J. (Gesetz-Samml. Für 1872, S. 288) zur Ausführung für Rechnung des Staates genehmigten Eisenbahnen, und zwar: 1) der Eisenbahn von Tilsit nach Memel …5) der Eisenbahn von Eschhofen nach Camberg der Eisenbahndirektion zu Wiesbaden zu übertragen. Die gedachten Direktionen sollen auch hinsichtlich der ihnen übertragenen Bauausführung und Verwaltung alle Rechte und Pflichten einer öffentlichen Behörde haben. Zugleich bestimme Ich, daß für die vorbezeichneten Eisenbahnen das Recht zur Expropriation derjenigen Grundstücke, welche zur Bauausführung nach den von Ihnen festzustellenden Bauplänen erforderlich sind, sowie zur vorübergehenden Benutzung fremder Grundstücke nach den gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen soll.
Dieser Erlaß ist durch die Gesetz-Sammlung bekannt zu machen.
Berlin, den 24. Juni 1872
Wilhelm
An den Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten
(Quelle: Gesetz-Sammlung für die Königlichen-Preußischen Staaten. 1872, Nr. 32, S. 555;)

Interessant ist auch die Geschichte der geplanten, aber nie gebauten Lokalbahn zwischen Laubuseschbach über Oberbrechen, Niederbrechen und Werschau nach Kirberg - siehe Nigratschka "Eine Eisenbahn, die nicht gebaut wurde".

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